Verteidigung

Neuer Wehrdienst kommt: Das plant Schwarz-Rot

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von dpa

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Einigung im Wehrdienst-Streit

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Union und SPD sind sich nach langem Ringen in Sachen Wehrdienst einig geworden. Es kommt Post vom Bund - und junge Männer werden gemustert. Der Verteidigungsminister sagt: "Kein Grund zur Sorge".

Das Wichtigste in Kürze

  • Union und SPD haben sich auf einen neuen freiwilligen Wehrdienst mit Musterung und Zielmarken für die Truppenstärke geeinigt.

  • Bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen könnte der Bundestag eine Bedarfswehrpflicht aktivieren – ein Zufallsverfahren wäre dann möglich.

  • Die Bundeswehr soll auf 260.000 Soldat:innen und 200.000 Reservist:innen wachsen.

Politiker:innen von Union und SPD haben sich für den neuen Wehrdienst auf eine flächendeckende Musterung und Zielmarken für die Aufstockung der Truppe geeinigt. Bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen soll der Bundestag über eine sogenannte Bedarfswehrpflicht entscheiden können, bei der dann auch ein Zufallsverfahren zur Auswahl genutzt werden kann.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius begrüßte die Einigung. "Andere europäische Länder, gerade im Norden, zeigen, dass das Prinzip Freiwilligkeit mit Attraktivität verbunden funktioniert", sagte der SPD-Politiker in Berlin und zeigte sich optimistisch, dass sich genügend junge Menschen melden. Er versuchte zudem, Ängste zu zerstreuen.

Pistorius: Grund zur Angst gibt es nicht

"Grund zur Sorge, Grund zur Angst gibt es nicht", sagte der Verteidigungsminister. "Weil die Lehre ist ganz klar: Je abschreckungs- und verteidigungsfähiger unsere Streitkräfte sind, durch Bewaffnung durch Ausbildung und durch Personal, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass wir überhaupt Partei eines Konfliktes werden - und damit ist allen gedient, das ist die Erfahrung aus dem Kalten Krieg. Deswegen gibt es gar keinen Grund, sich irgendwelche Sorgen zu machen." Junge Männer beginnend mit dem Jahrgang 2008 sollen gemustert werden, zuvor gibt es einen Fragebogen vom Bund - auch für Frauen.

Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) sagte: "Wir werden mehr Verbindlichkeit haben in der Freiwilligkeit." Es solle ein "Aufwuchspfad" festgehalten werden, so dass die Gesellschaft immer wisse, wo man stehe. Gemeint sind damit Zielkorridore für die Truppenstärke. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch zeigte sich "ganz sicher, dass wir das schaffen werden, auch im Rahmen der Freiwilligkeit." Sollte dies nicht der Fall sein, werde der Bundestag sich damit neu auseinandersetzen müssen.

Bundestag entscheidet gegebenenfalls über "Bedarfswehrpflicht"

Zum Thema einer möglichen Pflicht hieß es in einem Papier zur Einigung: "Der Bundestag entscheidet durch Gesetz über die Einsetzung einer Bedarfswehrpflicht, insbesondere wenn die verteidigungspolitische Lage oder die Personallage der Streitkräfte dies erforderlich macht." Die Bedarfswehrpflicht diene der Schließung möglicher Lücken zwischen dem Bedarf der Streitkräfte und der tatsächlichen Zahl an Freiwilligen.

Beim Status der Soldat:innen im neuen Wehrdienst gibt es eine Änderung zu bisherigen Planungen. "Der freiwillige Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement bleibt erhalten. Ab zwölf Monaten Verpflichtungsdauer wird der Status Soldat auf Zeit (SAZ 1) eingeführt", heißt es. Bisher war geplant, dass alle neuen Wehrdienstleistenden sofort Soldat:innen auf Zeit werden.

Kein Automatismus zur Aktivierung der Wehrpflicht

Übersteige die Zahl der Wehrpflichtigen eines Jahrgangs den Bedarf, kann nach Anwendung der Wehrdienstausnahmen und aller anderen Maßnahmen als letzter Schritt ein Zufallsverfahren zur Auswahl angewendet werden. Einen Automatismus zur Aktivierung der Wehrpflicht werde es nicht geben, heißt es. Um die Frage einer Pflicht hatte es Streit gegeben.

Im Oktober hatte die Unionsfraktion das schon vom Kabinett verabschiedete Gesetz zum neuen Wehrdienst wegen Bedenken gestoppt. Pistorius will, dass das Wehrdienstgesetz Anfang 2026 in Kraft tritt.

Bundeswehr soll kräftig wachsen

Wegen der Bedrohung durch Russland und der deswegen veränderten NATO-Planungen soll die Bundeswehr um rund 80.000 auf 260.000 Männer und Frauen in der stehenden Truppe wachsen. Zudem soll es 200.000 Reservist:innen geben, deren Zahl vor allem mit dem neuen Wehrdienst gesteigert werden soll.

Das bisherige Ziel von 203.000 Soldat:innen wurde allerdings nie erreicht. Vor allem Politiker:innen der Union haben wiederholt angezweifelt, dass Freiwilligkeit ausreichen wird, um eine ausreichend schnelle Aufstockung der Bundeswehr zu garantieren. In den Koalitionsverhandlungen hatte sich die SPD aber mit der Forderung nach Freiwilligkeit durchgesetzt.

Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt, ist aber weiter im Grundgesetz verankert. Sie kann mit einfacher Mehrheit im Bundestag wieder eingeführt werden und tritt auch in Kraft, wenn der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellt.

Das Grundgesetz sieht die Wehrpflicht für Männer vor. Um die Frage, ob und wie Frauen eingebunden werden sollen, gibt es immer wieder Diskussionen, ohne dass eine Mehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes aktuell erkennbar wäre.

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