"Es war heftig"

Kollisionswarnsysteme griffen – Todesfahrer von Magdeburg gab zusätzlich Gas

Aktualisiert:

von dpa

Mit einem Mietwagen war der Todesfahrer über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast und wurde gleich nach der Tat festgenommen. (Archivbild)

Bild: Hendrik Schmidt/dpa


Im Prozess gegen den Todesfahrer von Magdeburg berichtet ein Sachverständiger: Taleb A. gab noch mehr Gas, als das Auto auf dem Weihnachtsmarkt abbremsen wollte.

Das Wichtigste in Kürze

  • In Magdeburg findet der Prozess gegen den Todesfahrer Taleb A. vom Magdeburger Weihnachtsmarkt statt.

  • Wie der Sachverständige für Straßenverkehrsunfälle Timo Schubert erklärte, funktionierten die Kollisionswarnsysteme des Wagens.

  • Der Angeklagte habe demnach extra Gas gegeben und das System so überstimmt.

Bei seiner Fahrt über den Magdeburger Weihnachtsmarkt drückte der Todesfahrer das Gaspedal mehrfach maximal durch und überstimmte aktiv die Kollisionswarnsysteme des Wagens. Die Systeme waren eingeschaltet und aktiv, sagte der Sachverständige für Straßenverkehrsunfälle, Timo Schubert, im Landgericht Magdeburg.

Gemäß einer Europäischen Richtlinie müsse ein Fahrer das System grundsätzlich übersteuern können. Es sei bei der Fahrt am 20. Dezember 2024, bei der sechs Menschen getötet und über 300 verletzt wurden, überlastet gewesen.

Zum technischen Zustand fasste Schubert zusammen, das 340 PS starke Auto sei nach der Tat äußerlich zwar stark beschädigt gewesen. Lenkung, Bremspedal und Fahrwerk seien aber nicht eingeschränkt gewesen in ihrer Funktionsfähigkeit. Der Ereignisspeicher, der Daten zu Kollisionen registriert, habe nur einen Teil der Zusammenstöße registriert. Die Speicherkapazität genüge für eine solche Vielzahl von Ereignissen schlicht nicht.

Vier Videos von der Tat und eine Warnung des Richters 

Zu Beginn des dritten Verhandlungstages wurden zunächst vier Videos von Überwachungskameras gezeigt, die die Tat dokumentierten. Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg sagte vorab: "Es mag sich sowohl im Bereich der Nebenkläger als auch im Zuschauerraum jeder selbst überlegen, ob er sich die Videos zumuten will." Es bestehe die Gelegenheit, den Raum zu verlassen. Doch alle blieben im Saal.

Die Videos zeigen, wie der Wagen, den der angeklagte Taleb A. steuerte, von einer Kreuzung auf einen Fußweg einbog und mit hohem Tempo durch Menschenmengen fuhr. Personen wurden überfahren, andere auf der Fahrzeugfront mitgerissen, weitere zur Seite geschleudert. Viele schafften es gerade noch aus der Fahrtlinie.

Laut der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg lenkte der damals 50-Jährige den mehr als zwei Tonnen schweren und 340 PS starken Wagen etwa 350 Meter weit über den Weihnachtsmarkt. Er war demnach mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde unterwegs. Es starben ein Neunjähriger und fünf Frauen, mehr als 300 weitere Menschen wurden verletzt.

Der Angeklagte hatte den modernen Wagen mit Assistenzsystemen, die Kollisionen mit Fußgänger:innen verhindern sollen, gemietet. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob ihm während seiner Fahrt über den Weihnachtsmarkt Warnsignale oder Änderungen im Lenkverhalten aufgefallen seien, sagte der 51-Jährige, während der Fahrt habe er nichts mitbekommen. "Es war heftig." Nach der Tat seien seine Sachen wie Kleidung, Hygieneartikel und Taschenlampen überall im Auto verstreut gewesen. Er wurde gleich nach der Tat festgenommen. Auch das zeigt ein Video.

Reue zeigt der Angeklagte bislang nicht 

Der Strafprozess gegen den Mann aus Saudi-Arabien, der als Psychiater im Maßregelvollzug mit psychisch kranken Straftätern arbeitete, hatte am Montag (10. November) begonnen. Taleb A. gab die Tat zu. Reue zeigte er bislang nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wirft ihm unter anderem vollendeten Mord in sechs Fällen und versuchten Mord in 338 weiteren Fällen vor.

Der Angeklagte hatte am vorigen Verhandlungstag angegeben, er habe sich das teuerste Auto gemietet, das zur Verfügung stand. Das habe er auch in den Vorjahren gemacht. Teure Autos seien einfach seine Sache.

Rund 180 Betroffene des Anschlags sind im Prozess als Nebenkläger dabei und dürfen somit Fragen stellen, sie müssen nicht zu den Verhandlungstagen im extra errichteten Interims-Gerichtsgebäude erscheinen. Das Interesse von Besucher:innen ist nach wie vor groß, der allergrößte Teil der Plätze ist besetzt.

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