"True Pricing"
Was Fleisch, Milch und Nudeln eigentlich kosten müssten
Veröffentlicht:
von Joachim VonderthannLebensmittel wie Milch und Pasta liegen in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt.
Bild: Hendrik Schmidt/dpa
Lebensmittel sind in Deutschland vergleichsweise günstig, doch dieser Vorteil hat seinen Preis. Die wahren Kosten, die durch Umwelt- und Gesundheitsschäden entstehen, müssten viel höher liegen.
Deutschland ist bekannt für seine vergleichsweise niedrigen Lebensmittelpreise. Doch wie nachhaltig ist dieses System wirklich? Expert:innen wie die Wirtschaftsingenieurin Amelie Michalke weisen darauf hin, dass die aktuellen Preise oft nicht die wahren Kosten widerspiegeln. Diese sogenannten "externalisierten Kosten" umfassen Schäden an Umwelt, Klima, Böden und der Gesundheit von Menschen, wie der "Spiegel" berichtet. Laut Michalke müsste ein Pfund gemischtes Hackfleisch, das derzeit rund fünf Euro kostet, mit Berücksichtigung dieser versteckten Kosten mehr als doppelt so teuer sein.
"Echte" Lebensmittelpreise müssten höher sein
Die versteckten Kosten lassen sich in vier Hauptbereiche unterteilen: Belastungen der Gewässer durch Nitrate und Pestizide, Klimaschäden durch CO2-Emissionen und Methan, Bodenschäden durch intensive Landwirtschaft sowie gesundheitliche Risiken für Arbeitende in der Produktion. Besonders hoch fallen die Gesundheitskosten aus, die durch den Einsatz von Pestiziden verursacht werden. Diese Schäden summieren sich auf insgesamt mehrere Euro pro Produkt – ein Preis, der aktuell nicht in den Ladenregalen sichtbar wird.
Pasta würde das Doppelte kosten
Drei weitere Beispiele für "wahre Preise": Wird eine Packung Spaghetti im Einzelhandel für 0,79 Euro angeboten, dann müsste der wahre Preis bei 1,60 Euro liegen. Für einen Liter Orangensaft, der im Laden 2,46 Euro kostet, müssten eigentlich 3,43 Euro bezahlt werden. Ein Liter Milch, für 1,09 Euro im Supermarkt angeboten, würde dem "True Pricing"-Prinzip zufolge 1,85 Euro kosten.
Amelie Michalke und ihre Kolleg:innen setzen auf das Konzept des "True Cost Accounting", um diese Kosten transparent zu machen. Gemeinsam mit Wissenschaftler:innen wie Lennart Stein und Tobias Gaugler hat sie bereits konkrete Projekte umgesetzt. So führte der Discounter Penny 2023 eine Aktionswoche durch, bei der die wahren Preise von neun Produkten in den Regalen ausgewiesen wurden. Die Resonanz war jedoch ernüchternd: Produkte mit höheren Preisen wurden weniger gekauft. Dies zeigt, dass freiwillige Maßnahmen einzelner Unternehmen kaum ausreichen, um das System grundlegend zu verändern.
Penny-Produkte mit höheren Preisen blieben liegen
Die Lösung könnte dem "Spiegel"-Bericht zufolge im sogenannten Verursachendenprinzip liegen: Statt Verbraucher:innen an der Supermarktkasse zur Kasse zu bitten, sollen jene in der Produktionskette zur Verantwortung gezogen werden, die Schäden verursachen. Landwirt:innen könnten beispielsweise dazu verpflichtet werden, ihre Düngepraktiken nachhaltiger zu gestalten oder andernfalls für die entstandenen Schäden aufzukommen. Um diese Umstellung zu ermöglichen, schlägt Lennart Stein vor, EU-Agrarfördermittel gezielt für nachhaltige Prozesse einzusetzen.
Politik schreckt vor "wahren Preisen" zurück
Die Umsetzung solcher Maßnahmen ist jedoch politisch heikel. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten schrecken viele Politiker:innen davor zurück, Gesetze für "wahre Preise" zu erlassen. Dennoch könnte ein gezielter Einsatz von Fördermitteln nicht nur die Belastung der Bauern mindern, sondern auch die langfristigen Kosten für Umwelt und Gesundheit senken. "Es steht ausreichend Geld im System zur Verfügung", betont Stein. Ein nachhaltigeres Lebensmittelsystem wäre somit nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch volkswirtschaftlich effizienter.
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