Verhandlungen zum russischen Angriffskrieg
Kompromiss "freie Wirtschaftszone": Selenskyj gibt sich skeptisch
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von dpa"Freie Wirtschaftszone"?: Selenskyj gibt Einblicke in den Stand der Verhandlungen.
Bild: Kay Nietfeld/dpa
Trump soll sich zuletzt für eine "freie Wirtschaftszone" im Donbass und Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland eingesetzt haben. Die Kritik auf den Vorschlag aus Kiew lässt nicht lange auf sich warten.
Das Wichtigste in Kürze
Die Verhandlungen um einen Friedensplan für die Ukraine gehen in die nächste Runde
Die USA schlugen eine "freie Wirtschaftszone" im Donbass-Gebiet vor
Selenskyj weigert sich in diesem und auch anderen Punkten vor einem Kompromiss
Im Ringen um ein Ende des russischen Angriffskrieges gibt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Einblick in den aktuellen Verhandlungsstand. So brachten die USA nach seinen Worten die Idee ins Spiel, den bisher von der ukrainischen Armee kontrollierten Teil des Donbass-Gebiets im Osten des Landes zur "freien Wirtschaftszone" zu erklären. Der Kompromissvorschlag bestehe darin, dass die russische Seite nicht in dieses Gebiet vordringt, sagte Selenskyj örtlichen Medienberichten zufolge in Kiew.
US-Friedensplan als "russische Wunschliste"
Allerdings ergänzte er, dass der Fairness halber umgekehrt die Frage erlaubt sein müsse: "Wenn sich die eine Seite zurückzieht, wie man es von den Ukrainern verlangt, warum zieht sich die andere Kriegspartei nicht um die gleiche Entfernung in die andere Richtung zurück?"
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte kürzlich einen Plan für eine Friedenslösung vorgelegt, den Kritiker:innen als "russische Wunschliste" und faktische Kapitulationserklärung der Ukraine bezeichneten, weil er im Wesentlichen bekannte Forderungen Moskaus enthielt. Die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten bemühten sich, den Plan im Eiltempo umzuarbeiten und für sie nicht hinnehmbare Punkte herauszustreichen. Am Mittwoch (10. Dezember) übermittelte die Ukraine dann eine Antwort.
Merz stellt Treffen in Berlin in Aussicht
In den nächsten Tagen (ab 13. Dezember) soll es weitere Treffen und Gespräche zu dem Friedensplan geben. "Am Samstag findet ein Treffen statt, wir werden sehen, ob wir daran teilnehmen oder nicht", sagte Trump im Weißen Haus - ohne zu erwähnen, mit wem die Gespräche geführt würden. Er betonte, Vertreter:innen der USA würden an einem solchen dann Treffen teilnehmen, "wenn wir glauben, dass es gute Chancen gibt". Ansonsten wolle man keine Zeit verschwenden.
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte zuletzt erklärt, es sei möglich, dass es nach Gesprächen am Wochenende zu Beginn der nächsten Woche ein Treffen in Berlin geben werde. Die Teilnahme der US-Regierung sei aber noch fraglich.
Über 90 Prozent gegen Gebietsabtretungen
Als Knackpunkt in den Gesprächen gelten Territorialfragen und Sicherheiten für die Ukraine. Selenskyj hat Gebietsabtretungen in der Vergangenheit ausgeschlossen - aus seiner Sicht kann darüber nur das ukrainische Volk entscheiden. "In Form von Wahlen oder in Form eines Referendums, doch muss es die Position des Volkes der Ukraine sein", sagte der Staatschef Journalisten in Kiew. Vieles hänge dabei von der Lage an der Front ab.
Die USA hatten einen Abzug der ukrainischen Armee aus den noch gehaltenen Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk vorgeschlagen. Einer aktuellen Umfrage des renommierten Rasumkow-Zentrums zufolge sind mehr als 90 Prozent der Ukrainer:innen gegen territoriale Zugeständnisse an Russland. Kremlchef Wladimir Putin hatte erklärt, falls die Ukraine dieser Kernbedingung für einen Frieden nicht zustimmen sollte, werde Russland seine Kriegsziele eben auf dem Schlachtfeld erreichen.
Ukrainische Verfassung im Weg
Moskau sieht die beiden Regionen Donezk und Luhansk, die südukrainischen Gebiete Cherson und Saporischschja und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisches Staatsgebiet an und verlangt von Kiew, dies unwiderruflich anzuerkennen. Dabei schreibt Artikel 73 der ukrainischen Verfassung vor, dass Gebietsänderungen ausschließlich über ein landesweites Referendum veranlasst werden können. Das Referendum muss wiederum vom Parlament angesetzt werden. Die Verfassung kann zudem nicht geändert werden, solange das nach dem russischen Einmarsch 2022 ausgerufene Kriegsrecht gilt.
Selenskyj befürchtet russischen Tarneinsatz
Selenskyj sagte den Medienberichten zufolge, es sei offen, wie die von den USA vorgeschlagene "freie Wirtschaftszone" verwaltet werden sollte und wie man Russland davon abhalten könnte, doch weiter in das Gebiet vorzudringen - wenn schon nicht offensichtlich, dann beispielsweise mit Soldat:innen in Zivilkleidung, wie dies einst schon auf der Krim geschah.
Kiew besteht weiter auf mehr Soldat:innen
Die Ukraine kontrolliert noch etwa 30 Prozent der als Donbass bezeichneten Bergbau- und Industrieregion in der Ostukraine mit den Gebieten Luhansk und Donezk. Selenskyj bestätigte, dass der derzeit diskutierte Plan im Gegenzug einen Abzug der russischen Armee aus den Gebieten Sumy, Charkiw und Dnipropetrowsk vorsehe. Für die südukrainischen Regionen Saporischschja und Cherson sei demnach ein Einfrieren entlang der derzeitigen Frontlinie geplant.
Was die Größe der ukrainischen Armee betrifft, so besteht die Ukraine laut Selenskyj auf einer Truppen-Sollstärke von 800.000 Soldat:innen. In der Ursprungsvariante des Friedensplans war noch von einer Beschränkung auf 600.000 Soldat:innen die Rede gewesen.
Trump: "Wir würden bei der Sicherheit helfen"
Selenskyj und sein Team sprachen am Donnerstag mit der US-Seite zudem über "eines der drei Dokumente, an denen wir gerade arbeiten - jenem zu Sicherheitsgarantien". Diese "gehören zu den wichtigsten Elementen für alle weiteren Schritte", wie Selenskyj zu verstehen gab. Es brauche konkrete Antworten darauf, was die Partner machen würden, falls Russland nach einem Friedensschluss erneut angreifen sollte. Daran werde weiter gearbeitet.
Trump bekräftigte, dass die USA zu Sicherheitsgarantien bereit seien. "Wir würden bei der Sicherheit helfen, weil es meiner Meinung nach ein notwendiger Faktor ist", sagte er. Nähere Details nannte Trump hierzu aber nicht.
Wir würden bei der Sicherheit helfen, weil es meiner Meinung nach ein notwendiger Faktor ist
US-Präsident "frustriert" über Ukraine-Krieg
An der Videoschalte mit den Ukrainern nahmen laut Selenskyj hochrangige US-Regierungsvertreter:innen teil: Neben Außenminister Marco Rubio und Verteidigungsminister Pete Hegseth waren demnach auch Trumps Sondergesandter Steve Witkoff und sein Schwiegersohn Jared Kushner dabei. Zugeschaltet war demzufolge auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte.
Fast ein Jahr nach seinem Amtsantritt ist Trump nach Angaben des Weißen Hauses "äußerst frustriert" über Russland und die Ukraine. Er wolle keine weiteren Gespräche, sondern Taten sehen, sagte seine Sprecherin Karoline Leavitt bei einer Pressekonferenz am Donnerstag (11. Dezember). Trump wolle, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine endlich ein Ende nehme.
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