Krieg tobt noch weiter

Zwei Jahre nach Hamas-Überfall: Nahost zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Veröffentlicht:

von dpa

Seit nunmehr zwei Jahren ist der Nahe Osten in einem Kriegszustand.

Bild: REUTERS


Am 7. Oktober jährt sich das schlimmste Massaker in Israels Geschichte zum zweiten Mal. Wegen des harten Vorgehens im Gaza-Krieg gibt es viel Kritik an Israel. Ein neuer Friedensplan weckt Hoffnungen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Zwei Jahre nach dem Terrorangriff der Hamas und dem Beginn des Gaza-Kriegs wächst der internationale Druck auf beide Seiten.

  • Donald Trumps neuer Friedensplan bringt neue Hoffnung – und politischen Zündstoff.

  • Doch ob es wirklich zu einer Wende kommt, ist ungewiss.

Vor zwei Jahren haben Terroristen aus dem Gazastreifen israelisches Grenzgebiet überfallen und dort das schlimmste Massaker in Israels Geschichte angerichtet. Seitdem greift die israelische Armee Ziele der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen an, immer wieder gibt es Berichte über zivile Opfer.

Die Israelin Galit Dan, deren 13 Jahre alte Tochter am 7. Oktober 2023 ermordet wurde, sagte kürzlich bei einem Protest gegen Israels Regierung in Tel Aviv: "Keine Mutter sollte so etwas erleben müssen – weder in Israel noch im Gazastreifen."

Augenzeug:innen des Massakers in Israel beschrieben Mord, Vergewaltigungen, Verstümmelungen. Die Terroristen filmten ihre Gräueltaten und zeigten sie live im Internet. Rund 1.200 Menschen wurden damals getötet, mehr als 250 in den Gazastreifen verschleppt. Derzeit sind noch 48 Geiseln in der Gewalt von Islamisten, darunter auch deutsche Staatsbürger. 20 der Entführten sind nach israelischen Informationen noch am Leben. Die Menschen werden unter grausamen Bedingungen festgehalten.

Auch für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist der Krieg schrecklich. Die humanitäre Lage in dem Küstengebiet ist katastrophal. Weltweit gibt es heftige Kritik am harten Vorgehen des israelischen Militärs. Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag läuft eine von Südafrika angestrengte Völkermord-Klage gegen Israel. Israel streitet ab, einen Völkermord zu begehen.

Trumps Friedensinitiative

Hoffnung darauf, dass Israel und die Hamas den Krieg nach zwei Jahren endlich beenden könnten, weckt der von US-Präsident Donald Trump vorgestellte Friedensplan. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dem Vorschlag zugestimmt, die Hamas stimmte zumindest Teilen davon zu.

Nun soll es weitere Verhandlungen geben, zunächst über die Freilassung der verbliebenen 48 Geiseln im Gegenzug für die Entlassung Hunderter palästinensischer Häftlinge. Laut Netanjahu sind Israel und die USA entschlossen, die Gespräche auf wenige Tage zu beschränken.

Geklärt werden müssen viele strittige Fragen, darunter Israels Truppenrückzug aus dem Gazastreifen sowie die Entwaffnung der Hamas. Die Islamisten lehnen dies bislang ab.

Trumps Plan sieht auch mehr humanitäre Hilfe für den Gazastreifen vor. Nach Kriegsende soll eine Übergangsregierung palästinensischer Technokrat:innen unter internationaler Aufsicht eingesetzt werden.

Großes Leid im Gazastreifen

Seit Kriegsbeginn sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 67.000 Palästinenser:innen im Gazastreifen getötet worden. Das Küstengebiet ist großflächig zerstört. Viele Menschen leiden an Hunger, etliche haben Angehörige verloren und wurden vertrieben.

Der Alltag vor Ort bestehe nur noch aus Warten, sagt Mona Abu Aischa aus dem Norden des Küstengebiets der dpa. "Warten auf Stille, Warten auf Hilfe, Warten auf ein Ende, von dem wir nicht wissen, wann es kommt." Ihr Sohn frage sie ständig, wann er wieder zur Schule könne, ihre Tochter zeichne zerstörte Häuser. Die 34-Jährige selbst schläft aus Angst vor Bombardements nur noch schlecht. "Jedes kleine Geräusch lässt mich zittern."


Israel international zunehmend isoliert

Wegen der Situation der Zivilbevölkerung im Gazastreifen hat Israels Ansehen weltweit gelitten. Auch viele westliche Partner gingen zuletzt auf Distanz zu Israels Regierung. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte jüngst angeordnet, dass vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern nach Israel mehr genehmigt werden, die im Gaza-Krieg verwendet werden können. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte zuletzt, dass nichts den anhaltenden Krieg rechtfertigen könne.

Mehrere wichtige westliche Länder, darunter Großbritannien und Frankreich, erkannten im September einen palästinensischen Staat an. Der symbolische Schritt markiert eine Positionsänderung im Nahostkonflikt. Israels Regierung ist gegen die Gründung eines unabhängigen Staates Palästina, weil sie darin eine Bedrohung der israelischen Existenz sieht.

In der Kunstszene, bei Sportwettbewerben und in der Wissenschaft gibt es Boykottaufrufe gegen Israel. Die Auswirkungen des Gaza-Kriegs spüren auch Jüdinnen und Juden weltweit – antisemitische Anfeindungen und Übergriffe haben seit Kriegsbeginn drastisch zugenommen.

Krieg an weiteren Fronten

Nach Beginn des Gaza-Kriegs haben auch proiranische Milizen wie die Hisbollah im Libanon und die Huthi im Jemen in Solidarität mit der Hamas Israel mit Raketen und Drohnen angegriffen. Sie gehören zu Irans "Achse des Widerstands". Die Hisbollah gilt seit einem offenen Krieg mit Israel inzwischen als stark geschwächt. Israel hatte dabei viele Anführer der Miliz getötet. Die israelische Luftwaffe greift auch immer wieder Ziele der Huthi im Jemen an.

Im Juni führte Israel zwölf Tage lang Krieg gegen den Iran und bombardierte zusammen mit den USA zentrale Atomanlagen des Landes. Teheran reagierte mit heftigen Raketenangriffen auf Israel. Einige Beobachter:innen sehen den Terrorüberfall der Hamas vor zwei Jahren als Beginn einer Kettenreaktion, die letztlich Irans "Achse des Widerstands" zu Fall bringen könnte.

Israels Gesellschaft ist tief gespalten

Der Gaza-Krieg, der längste in der Geschichte des Staates Israel, spaltet die israelische Gesellschaft. Eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung will aktuellen Umfragen zufolge ein Ende der Kämpfe. Immer wieder gibt es Großdemonstrationen für ein Gaza-Abkommen. Viele Israelis sind zermürbt von der Gewalt und haben den Eindruck, dass die politische Führung den Krieg aus eigenen Interessen weiterführt.

Aber längst nicht alle Israelis haben Verständnis für die Massenproteste, die sich häufig auch gegen die Regierung richten. Sie finden, dass die Hamas vollständig zerschlagen und der Krieg deshalb fortgesetzt werden muss.

Auch rechtsextreme Koalitionspartner von Netanjahu sehen das so. Sie pochen zudem auf eine Annexion und Wiederbesiedlung des Küstenstreifens, aus dem sich Israel vor 20 Jahren zurückgezogen hat. Selbst der Tod der noch lebenden 20 Geiseln sei ein Preis, den die Hardliner bereit seien zu zahlen, sagt Ilana Schpaizman, Dozentin am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Bar Ilan bei Tel Aviv.

Trumps Friedensplan schließt eine Annexion des Gazastreifens durch Israel allerdings aus – Rechtsextreme in Netanjahus Regierung hatten daher auf ein Nein der Hamas zu dem Plan gehofft.

Israels Innenpolitik

Netanjahu, gegen den ein Korruptionsprozess läuft, ist für sein politisches Überleben auf seine rechtsextremen Koalitionspartner angewiesen. Möglich ist, dass diese die Regierung verlassen, sollte das Gaza-Abkommen tatsächlich umgesetzt werden.

Der US-Plan könnte das Aus für die Regierung und Neuwahlen bedeuten, betont auch Schpaizman. "Das will Netanjahu nicht, denn seine Koalition ist nicht beliebt und alle Umfragen deuten darauf hin, dass sie verlieren wird." Die Strategie des israelischen Regierungschefs bestehe darin, auf Zeit zu spielen und sich an der Macht zu halten, sagt die Expertin.

Zwei Jahre nach Beginn des Gaza-Kriegs wird Trumps Friedensplan von vielen Ländern als große Chance gesehen. Von den Verhandlungen und nötigen Zugeständnissen beider Kriegsparteien hängt nun ab, ob er sich am Ende einreiht unter die bereits gescheiterten Anläufe oder den Weg zu einem echten Friedensprozess ebnet.

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