Zwei Jahre nach Hamas-Überfall

Gaza-Krieg "ohne jeden Zweck": Israels Ex-Regierungschef rechnet mit Netanjahu ab

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von Emre Bölükbasi

Der frühere israelische Regierungschef Ehud Olmert (Bild) äußert immer wieder seinen Unmut über Netanjahus Vorgehen im Gazastreifen.

Bild: :newstime


Kinder, Eltern, Großeltern – Tausende Zivilist:innen seien im Gaza-Krieg gestorben, sagt Israels Ex-Premier Olmert. Seine Abrechnung mit Netanjahus Politik nach dem 7. Oktober ist deutlich – aber ohne Genozid-Vorwurf.

Das Wichtigste in Kürze

  • Israels Ex-Premier Ehud Olmert zieht zwei Jahre nach dem Hamas-Überfall ein hartes Fazit.

  • Der Gaza-Krieg sei "längst ohne jeden Zweck".

  • Im Exklusiv-Interview mit :newstime kritisiert er Netanjahu scharf – und warnt vor der Spaltung Israels.

"Als es begann, gab es nichts Gerechteres als die israelische Gegenoffensive gegen die Hamas. [...] Der israelische Ministerpräsident (Benjamin Netanjahu) beschloss jedoch, die Militäroperation auszuweiten - daraufhin verlor der Krieg seinen Konsens."

Ein ernüchterndes Fazit, das der israelische Ex-Regierungschef Ehud Olmert zwei Jahre nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 zieht. Warum er im :newstime-Interview Netanjahu hart angeht - aber trotzdem nicht von einem Genozid spricht.

Israels Krieg "ohne jeden Zweck"

Der Netanjahu-Kritiker ist sich sicher: "Alles, was mit der Militäroperation erreicht werden konnte, wurde auf sehr beeindruckende Weise erreicht." Viele Hamas-Funktionäre seien getötet worden. Unter den 80.000 Opfern des Krieges nach dem 7. Oktober gebe es aber neben Hamas-Terroristen auch "viele Tausende, die keine Kämpfer waren - darunter Kinder, ihre Eltern und ihre Großeltern".

Die anfänglich gerechte Gegenoffensive Israels werde aber schon längst "ohne jeden Zweck geführt". "Das ist ein Verbrechen, und die israelische Regierung war dafür verantwortlich." Ginge es nach ihm, hätte der Krieg bereits Anfang 2024 beendet werden müssen. Seitdem gleiche der Gazastreifen einer Ruine.

Kein Genozid im Gazastreifen, Polarisierung in Israel

Ob dann von einem Genozid gesprochen werden kann? Laut Olmert gibt es dafür keine Anzeichen. "Es gibt nichts Vergleichbares zu einem Völkermord", verteidigt er vehement. Er wies darauf hin, dass sogar er als ein bekannter Netanjahu-Kritiker keinen Genozid sehe. Israel tue zwar "viele Dinge", die nicht getan werden sollten. Von einem Völkermord könne allerdings keine Rede sein.

Der frühere Regierungschef wies auf eine Gefahr in Israel hin: starke Polarisierung in der Gesellschaft. "Was in den letzten Jahren in Israel geschehen ist, hat den Staat Israel in einem Ausmaß polarisiert, das in der modernen Geschichte des Staates Israel beispiellos ist", findet er. Grund dafür sei die Politik der Regierung, die auch international zu schwindender Unterstützung Israels führe.

Netanjahus Partnerschaft "mit Terroristen" als Hürde

Angesprochen auf den Gaza-Plan des US-Präsidenten Donald Trump zeigte sich Olmert vorsichtig optimistisch, stichelte aber dennoch gegen den Republikaner. "Guten Morgen. Warum haben Sie das nicht schon vor einem Jahr getan?", fragte er ironisch.

Nun sieht er mitunter Israels umstrittenen Ministerpräsidenten Netanjahu in der Pflicht. Israel müsse sich aus dem Gazastreifen zurückziehen. "Ich meine, was nötig gewesen wäre, ist, dass Netanjahu selbst zu diesem Schluss kommt, aber er ist dazu nicht in der Lage, nicht willens und unfähig, weil er vollständig von der Partnerschaft mit der messianischen Gruppe von Terroristen abhängig ist, die Teil seiner Regierung sind."

Der Einzige, der ihn (Netanjahu) dazu zwingen kann, ist Präsident Trump.

Ehud Olmert, Ex-Ministerpräsident von Israel

Deshalb müsse "jemand von außen" Netanjahu unter Druck setzen. "Der Einzige, der ihn dazu zwingen kann, ist Präsident Trump."

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