Pizza und Argumente
Spahn gibt sich bei Miosga in puncto Rentenzoff siegessicher - dabei ist sein Job in Gefahr
Aktualisiert:
von Marko Schlichting:newstime
Spahn warnt vor Ablehnung des Rentenpakets
Videoclip • 01:00 Min • Ab 12
Unionsfraktionschef Jens Spahn hat die Aufgabe, die jungen Rebellen in der CDU vom Rentenkompromiss der Regierung zu überzeugen. Gelingt das nicht, sei die Koalition in Gefahr, sagt er am Sonntagabend bei "Caren Miosga". Doch auch sein eigener Posten wackelt.
Auch vor der Abstimmung im Bundestag am kommenden Donnerstag (4. Dezember) über das Rentenpaket der Bundesregierung hält der interne Streit der CDU weiter an. Noch sind die 18 jungen Rebellen der Partei nicht von dem Rentenkompromiss überzeugt. Doch Unionsfraktionschef Jens Spahn tut sein Möglichstes, um die jungen Rebellen auf Kurs zu bringen.
Spahn nimmt Renten-Revoluzzer bei Pizza ins Gebet
Dazu führt Spahn Einzelgespräche in seinem Wohnzimmer. Für seinen Erfolg traktiert er die "jungen Wilden" mit Pizza und Argumenten. Sein Hauptargument: Gibt es am Donnerstag keine Mehrheit, könnte die Koalition auseinanderbrechen. Und dann gebe es keine schärferen Gesetze in der Migrationspolitik. Und das Bürgergeld wäre auch nicht abgeschafft worden.
Dabei könne er die jungen Abgeordneten der Union gut verstehen, zu denen er selbst einmal gehört habe, sagt Spahn am Sonntagabend (30. November) bei "Caren Miosga" im Ersten. "Ich verstehe das Anliegen der jungen Generation sehr gut: Dass es in der Rente generationengerecht zugehen muss, dass wir uns vor allem vorbereiten müssen auf die Dreißiger-Jahre. Da gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente, und darauf sind wir noch nicht genügend vorbereitet."
Spahn ist "stolz" auf junge Abgeordnete
Dass es junge Abgeordnete im Bundestag gibt, die engagiert seien und sich in der Sache einsetzten, begrüßt der Fraktionschef der Union. "Wir können stolz sein auf unsere junge Gruppe", sagt Spahn. "Und gleichzeitig weiß ich, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion gleichzeitig einerseits die Sachfrage sehen, aber auch die Frage, was das mit der Koalition macht und mit der Stabilität der Regierung."
Das kann man so auffassen, dass Spahn der Überzeugung sei, dass die jungen Abgeordneten die schwarz-rote Koalition am Donnerstag retten, indem sie dem Rentenpaket zustimmen. Denn würden sie geschlossen dagegen stimmen, hätte die Regierung im Bundestag keine Mehrheit. Das Rentenpaket wäre – zunächst – gescheitert.
Das "Rentenpaket eins", wie Spahn es jetzt nennt, enthalte strukturelle Veränderungen wie die Einführung der Aktivrente, die ältere Menschen dazu bringen soll, freiwillig mehr zu arbeiten. Danach werde eine Rentenkommission eingesetzt, deren Aufgabenbereich deutlich erweitert worden sei und die schon im Juni kommenden Jahres Ergebnisse liefern solle. Nun würden viele Abgeordnete um ihre Entscheidung ringen. Aber: "Die Mehrheit ist im Werden", so Spahn.
Wirtschaftsexperte stützt Kritiker
Der Präsident des IFO-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, findet das Rentengesetz der Bundesregierung falsch. "Dieses Gesetz ist nicht sinnvoll", sagt er. "Wir steuern erstmal in die Richtung, dass wir künftige Bundeshaushalte stark belasten. Wir wissen alle: Wir haben künftig weniger Menschen, die einzahlen. Wir haben auch weniger Steuerzahler. Und jetzt wird hier beschlossen, dass künftige Bundeshaushalte mit etwa 12 Milliarden Euro mehr belastet werden als meines Erachtens auch im Koalitionsvertrag stand. Das hätte man unbedingt verhindern müssen", kritisiert der Ökonom.
"Es ist einfach falsch, erstmal in die falsche Richtung zu steuern und dann zu sagen, jetzt komme eine Kommission. Die kann ja nur sagen: Nehmt erstmal das zurück, was wir grade beschlossen haben. Und das wird natürlich die SPD nicht akzeptieren. Das ist eine Alibiveranstaltung, mit der jetzt die Leute beruhigt werden", führt Fuest weiter aus. Er gehört zu einer Reihe von Wirtschaftsexperten, welche die jungen Abgeordneten der Union unterstützen.
Auch Eva Quadbeck, Chefredakteurin vom Redaktionsnetzwerk Deutschland, kritisiert das Vorgehen der Koalition. Sie spricht von einem "groß-koalitionären Vorgehen": Alle drei beteiligten Parteien – SPD, CDU und CSU – hätten ihr wichtigstes Projekt durchsetzen können. Das werde nun wahnsinnig teuer für die Beitragszahler.
Kurz zusammengefasst: Das derzeitige Rentenniveau liegt bei 48 Prozent. Das heißt: Wer in Rente geht, bekommt 48 Prozent seines Durchschnittsbruttoeinkommens ausgezahlt. Bei dieser "Haltelinie" will die Bundesregierung bis 2031 bleiben. Das sieht der Gesetzesentwurf vor, über den der Bundestag abstimmen wird. Die Berechnung eines neuen Rentenniveaus, das nach 2031 gilt, soll von diesen 48 Prozent ausgehen. Die jungen Unionsabgeordneten fordern jedoch, man solle bei der Neuberechnung von 47 Prozent ausgehen. Damit wollen sie bis 2040 rund 120 Milliarden Euro einsparen.
Spahn: Werden Mehrheit haben
Eine Umsetzung dieses Vorschlags würde laut Marcel Fuest bedeuten, dass die Renten "nicht sinken" würden, sondern "konstant bleiben und langsamer steigen". "Das ist mit dem Koalitionsvertrag vereinbar, insofern ist es nicht zwingend, jetzt zu entscheiden", sagt er. Man habe sich "von der SPD über den Tisch ziehen lassen". Für den Bundeshaushalt bedeute der Beschluss der Bundesregierung deutliche Mehrausgaben. "Wir fahren den Bundeshaushalt vor die Wand", sagt Fuest deutlich.
Für Spahn ist klar: Die Abstimmung am Donnerstag muss klappen. "Meine Aufgabe ist es, für Mehrheiten in der Fraktion zu sorgen", sagt er. Und fügt selbstbewusst hinzu: "Bei den Abstimmungen, die wir in diesem Bundestag bisher hatten, hatten wir diese Mehrheit. Und wir werden sie auch bei den nächsten Abstimmungen haben."
Dass auch die Personalie Spahn am Ergebnis dieser Abstimmung hängt, benennt Eva Quadbeck mit der nötigen Deutlichkeit: "Es muss diese Woche schon gutgehen, sonst ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass es Herrn Spahn den Kopf kosten könnte."
Und das wäre am Ende wohl ein kleineres Opfer als der erneute Bruch der Bundesregierung. Denn die Abgeordneten von CDU, CSU und SPD wissen genau: Nur mit Schwarz-Rot können ihre Parteien zumindest einen Teil ihrer Forderungen durchsetzen. Fiele die Koalition auseinander und würde es danach zu Neuwahlen kommen, wäre die kleine, noch vorhandene schwarz-rote Mehrheit im Bundestag möglicherweise dahin – und die AfD könnte wichtige Vorhaben der jetzigen Koalition blockieren.
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