Bundesverfassungsgericht
Richter-Kandidatin Brosius-Gersdorf setzt sich zur Wehr: Bin nicht ultralinks
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von dpaSPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf hätte vergangenen Freitag zur Richterin für Karlsruhe gewählt werden sollen - doch die Wahl scheiterte.
Bild: Britta Pedersen/dpa
Richter-Kandidatin Brosius-Gersdorf wehrt sich gegen die öffentlichen Vorwürfe, sie sei "linksradikal". In einem Statement beschrieb sie die Zuschreibungen als "diffamierend" - und kritisierte auch Teile der Medien.
Ist sie eine Linksradikale und deshalb unwählbar als Richterin am Bundesverfassungsgericht? Die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf meldet sich erstmals seit der geplatzten Wahl im Bundestag selbst zu Wort - und weist öffentliche Vorwürfe deutlich zurück. "Die Bezeichnung meiner Person als "ultralinks" oder "linksradikal" ist diffamierend und realitätsfern", schreibt die Juristin in einer Stellungnahme, die sie über eine Anwaltskanzlei veröffentlichte.
Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuerst hatten ZDF und Deutschlandfunk darüber berichtet. Darin wirft Brosius-Gersdorf auch Teilen der Medien vor, ihre Berichterstattung sei "unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent" gewesen. "Sie war nicht sachorientiert, sondern von dem Ziel geleitet, die Wahl zu verhindern." Kritik müssten sich auch "einzelne staatliche Funktionsträger gefallen lassen".
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Warum Unionspolitiker die Kandidatin ablehnen
Eigentlich sollte Brosius-Gersdorf am vergangenen Freitag (11. Juli) im Bundestag zusammen mit einer weiteren Richterin und einem Richter für Karlsruhe gewählt werden. Doch die Wahl wurde kurzfristig von der Tagesordnung genommen, weil die Führung der Unionsfraktion die mit der SPD verabredete Unterstützung für die Jura-Professorin nicht mehr garantieren konnte.
Mehrere Unionsabgeordnete bezeichneten Brosius-Gersdorf öffentlich als ungeeignet und unwählbar, andere ließen sich anonym zitieren, die Juraprofessorin sei "eine ultralinke Juristin". Begründet wurde das unter anderem mit Äußerungen von Brosius-Gersdorf zu Corona-Impfungen und mit ihrer Haltung zu Abtreibungen.
Fraktionschef Jens Spahn räumte in dieser Woche in einem Schreiben an die Fraktion ein: "Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt." Und: "Die Notbremse am Freitag kam zu spät." Man sei nicht mehr in der Lage gewesen, einen Kompromiss mit der SPD zu finden.
Was Brosius-Gersdorf selbst dazu sagt
Die Juristin äußert sich in ihrer schriftlichen Stellungnahme ausführlich zu den Vorwürfen. "Ordnet man meine wissenschaftlichen Positionen in ihrer Breite politisch zu, zeigt sich ein Bild der demokratischen Mitte", betont sie etwa. Einseitige Zuschreibungen wie "ultralinks" und "linksradikal" entbehrten der Tatsachen. "Sie beruhen auf einer punktuellen und unvollständigen Auswahl einzelner Themen und Thesen, zu denen einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden, um ein Zerrbild zu zeichnen."
So sei die Behauptung falsch, sie sei für eine Legalisierung und eine Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt. Sie habe lediglich auf die Tatsache hingewiesen, dass nach aktueller Rechtslage auch ein Abbruch aus medizinischen Gründen - etwa bei Gefahr für Leben und Gesundheit der Frau - unzulässig sei. "Der Vorwurf, ich würde für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt eintreten und sei "lebenskritisch", ist falsch und entbehrt jeder Grundlage", betont Brosius-Gersdorf.
Auch ihre Positionen zu einem Kopftuchverbot und zu Paritätsmodellen für die Wahl des Bundestags seien unzutreffend wiedergegeben worden, erklärte die Juristin.
Wie es weitergeht
Die Lage scheint festgefahren. Dass Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurückzieht - wie manche in der Union sich wünschen - scheint unwahrscheinlich. Die SPD hält auch an ihr fest und sieht sich bestärkt. "Frau Professor Brosius-Gersdorf bestätigt mit ihrer Erklärung genau das, was wir seit Tagen sagen: Die ihr vorgeworfenen Äußerungen waren falsch, verkürzt dargestellt oder unzutreffend", sagte Fraktionsvize Sonja Eichwede der Deutschen Presse-Agentur. Sie rief die Union erneut auf, das Gespräch mit Brosius-Gersdorf zu suchen.
Dazu haben sich CDU und CSU noch nicht geäußert. Die Union betont, es gebe keinen Zeitdruck für eine Lösung - macht aber auch nicht den Eindruck, ihre inhaltliche Haltung zu ändern. Ein gemeinsames, mehrheitsfähiges Kandidaten-Paket gelinge nur mit weniger gegenseitigen Vorwürfen und mehr Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, den Kandidaten und der Entscheidung der Abgeordneten, sagte stattdessen CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur. Am späten Dienstagnachmittag (15. Juli) will der Vorstand der Unionsfraktion das weitere Vorgehen beraten.
Wann eine neue Richterwahl angesetzt werden könnte
Bisher deutet alles darauf hin, dass man zunächst in die parlamentarische Sommerpause geht und eine neue Richterwahl im Bundestag frühestens im September anpeilt. Den Grünen ist das viel zu spät: Sie fordern eine Sondersitzung des Bundestags noch in dieser Woche. "Wir halten es für unverantwortlich, diese wichtige Entscheidung des Bundestags über Wochen offenzulassen", mahnen die Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann in einem Brief an ihre Amtskollegen Jens Spahn von der Union und Matthias Miersch von der SPD.
Linken-Chefin Ines Schwerdtner dagegen lehnt eine Sondersitzung zum jetzigen Zeitpunkt an. Sie sei sehr pessimistisch, dass es in einer "überstürzten Sitzung" eine Einigung geben könne, sagte Schwerdtner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Stattdessen müsse die Union die Sommerferien nutzen, um Mehrheiten zu finden. "Die Verantwortung dafür liegt klar bei der CDU", betonte sie.
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