Interview

NATO-Chef Rutte über möglichen Angriff Russlands: "Selbst 2031 ist morgen"

Veröffentlicht:

von Jana Wejkum

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Rutte warnt vor russischem Angriff

Videoclip • 02:01 Min • Ab 12


Kurz vor Jahresende wirft Mark Rutte einen Blick auf die schleppenden Friedensverhandlungen mit Russland, die US-Sicherheitsstrategie und einen möglichen NATO-Beitritt der Ukraine.

Das Wichtigste in Kürze

  • Mark Rutte setzt angesichts der hohen Militärausgaben Russlands auf die Zusammenarbeit aller NATO-Staaten: Mit Abschreckung lasse sich ein Angriff vermeiden.

  • In puncto NATO-Beitritt der Ukraine gebe es keinen Konsens, denn die USA, Ungarn und die Slowakei sprechen sich dagegen aus.

  • Der Generalsekretär lobt die Bundesregierung für die wachsenden Verteidigungsausgaben, da Deutschland eine Vorbildrolle innerhalb Europas zukomme.

Vor wenigen Tagen warnte NATO-Generalsekretär Mark Rutte die Mitgliedsstaaten davor, die Bedrohung durch Russland zu unterschätzen.

"Wir sind Russlands nächstes Ziel, und wir sind bereits in Gefahr", so Rutte während einer Veranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz in Berlin. Im Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur (dpa) legt der Generalsekretär seine Sicht zum Stand der Friedensverhandlungen mit der Ukraine dar. Dabei spart er nicht mit Lob für die deutsche Bundesregierung - weicht kritischen Fragen zum Kurswechsel der USA jedoch wiederholt aus.

Rutte über Russland-Angriff: NATO "stark genug"

Generalsekretär Rutte gibt sich optimistisch, was das Abschreckungspotenzial der NATO gegenüber Russland angeht - trotz der enormen Summen, die der Kreml für Krieg ausgibt. "Da ist jemand, der verrückt viel Geld ins eigene Militär steckt. Er gibt inzwischen mehr als 40 Prozent des Staatshaushalts für Rüstung aus. Und er ist bereit, in diesem Krieg in der Ukraine 1,1 Millionen Menschen zu opfern", so Rutte. Indem die NATO-Mitglieder sich an die beschlossenen Verteidigungsausgaben hielten, seien sie seiner Einschätzung nach "stark genug", damit Putin einen Angriff "niemals versuchen" würde.

Welche Länder es treffen könnte, darüber möchte Rutte nicht spekulieren. Auch wann Russland dazu bereit sein könnte, sei laut dem Generalsekretär unerheblich: "Selbst 2031 ist morgen – 2029 ist heute Nachmittag, 2027 ist jetzt."

Generalsekretär macht sich über USA "überhaupt keine Sorgen"

Nuklearwaffen in Europa aufzurüsten, sieht Rutte nicht als Priorität, sondern setzt auf die Zusammenarbeit mit den USA. Diese hatten erst kürzlich mit einer neuen, Europa feindlich eingestellten Sicherheitsstrategie für Unsicherheit gesorgt.

Das beunruhigt den NATO-Chef allerdings kaum: "Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um die USA, weil sich die USA der NATO uneingeschränkt verpflichtet fühlen." Es gäbe gemeinsame Sicherheitsinteressen in der Arktis und im Nordatlantik. "Wir sitzen da alle im selben Boot", beteuert der Rutte.

Auch lobte er Donald Trump explizit für seine Bemühungen um Frieden. Seit seinem Putin-Telefonat im Februar sei der US-Präsident "jeden Tag, jede Woche, jeden Monat dran", die Frage der Ukraine zu lösen. Es gebe ein Verständnis dafür, dass die Ukraine "sehr starke Sicherheitsgarantien" notwendig habe.

NATO-Beitritt der Ukraine zwischen Vertrag und Pragmatismus

Wie genau die Zukunft der Ukraine aussehen soll, daran scheiden sich die Geister. Dass es trotz vertraglicher Zusicherung "eine prinzipielle und eine praktischere Seite" gibt, räumt Rutte ein. Die USA, Ungarn und die Slowakei stellen sich entschieden gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine. Putin hingegen macht einen Verzicht darauf zur Bedingung für Friedensverhandlungen. Lösungen kann Rutte nicht beisteuern, nur eine ernüchternde Feststellung: "Im Moment gibt es keinen Konsens."

Verteidigungsausgaben: "Hier geht Deutschland voran"

Viel Lob hat Mark Rutte für die Bundesregierung rund um Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Diese könne mit ihrem derzeitigen Kurs die Zielmarke von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung bereits deutlich vor dem gesetzten Termin 2035 erreichen. "Was Deutschland derzeit tut, ist wirklich beeindruckend", lobt er.

Polen und dem Baltikum lägen bei Verteidigungsausgaben nach BIP weiterhin vorn, bei den Gesamtausgaben seien nur die USA noch stärker. Er betont, dass Deutschland anderen Staaten als Vorbild diene: "Hier geht Deutschland voran."


Verwendete Quellen:

Nachrichtenagentur dpa

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