Verteilung der Insolvenzmasse

BGH-Urteil zu Wirecard-Pleite: Schlechte Nachricht für Aktionäre

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von dpa

Zehntausende Aktionär:innen fordern von Wirecard Schadenersatz. (Archivbild)

Bild: Peter Kneffel/dpa


Im Wirecard-Insolvenzverfahren fordern zehntausende Aktionär:innen Schadensersatz. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist klar: Sie müssen sich hinten anstellen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bundesgerichtshof hat geurteilt, dass geschädigte Aktionär:innen im Wirecard-Insolvenzverfahren keine einfachen Gläubiger:innen sind.

  • Demnach werden Aktionär:innen bei der Verteilung der Insolvenzmasse nachrangig berücksichtigt.

  • 2024 hatte das Oberlandesgericht München zunächst noch die Rechte der Aktionär:innen gestärkt.

Nach der Pleite von Wirecard hofften zehntausende Aktionär:innen zumindest auf etwas Geld aus der Insolvenzmasse des Skandal-Konzerns. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) wird daraus absehbar nichts. Der neunte Zivilsenat entschied in Karlsruhe, dass geschädigte Aktionär:innen im Insolvenzverfahren keine einfachen Gläubiger:innen sind - und ihre Ansprüche auf Schadenersatz daher hinter den Forderungen anderer Gläubiger:innen zurücktreten.

In dem konkreten Fall hatte die Vermögensverwaltung Union Investment von Wirecard Schadenersatz gefordert. Sie warf dem Konzern vor, über Jahre ein nicht existentes Geschäftsmodell vorgetäuscht und seine finanzielle Lage falsch dargestellt zu haben. Hätten Anleger:innen die Wahrheit gewusst, hätten sie keine Aktien gekauft, argumentierte die Investmentfirma. Sie hätten deswegen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Vermögensschadens.

Union Investment hatte daher Ansprüche in Höhe von knapp zehn Millionen Euro zur Wirecard-Insolvenztabelle angemeldet. Doch Insolvenzverwalter Michael Jaffé wollte die Forderungen nicht annehmen. Er hielt die Forderungen anderer Gläubiger:innen für vorrangig. Denn: Wirecard schuldet etwa kreditgebenden Banken und ehemaligen Angestellten viel Geld. Hätten die Ansprüche der Aktionär:innen denselben Rang, bekämen die übrigen Gläubiger:innen sehr viel weniger.

Welche Forderungen haben Vorrang?

Nachdem sie am Landgericht München zunächst abgewiesen wurde, hatte die Klage von Union Investment auf Feststellung ihrer Forderungen zuletzt Erfolg. Das Oberlandesgericht München entschied im September 2024 in einem Zwischenurteil, dass Aktionär:innen ihre Ansprüche auf Schadenersatz als einfache Insolvenzforderungen geltend machen können.

Diese Entscheidung hob der BGH nun auf und stellte das vorherige Urteil des Landgerichts wieder her. Die Klage von Union Investment ist damit abgewiesen, ihre Ansprüche müssen nicht in die Insolvenztabelle. Zwar könnten Aktionär:innen, die durch bewusst falsche Angaben zum Kauf von Aktien veranlasst wurden, grundsätzlich von der Gesellschaft Erstattung verlangen, erklärte der BGH.

Die Schadenersatzansprüche seien aber eng mit der Stellung der Geschädigten als Aktionär:innen verknüpft und daher nach der Insolvenzordnung erst nach den Forderungen einfacher Gläubiger:innen zu berücksichtigen. Ob die Aktionär:innen als nachrangige Insolvenzgläubiger:innen oder sogar erst nach einer Schlussverteilung aus einem möglicherweise bleibenden Überschuss zu bedienen sind, ließ der BGH offen. Die Wirecard-Aktionär:innen gingen in beiden Fällen vermutlich leer aus.

Aktionäre als Eigenkapitalgeber

Denn: Laut BGH haben etwa 50.000 Wirecard-Aktionär:innen Schadenersatz in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro zur Insolvenztabelle angemeldet. Insgesamt fordern die Wirecard-Gläubiger:innen 15,4 Milliarden Euro. Die Insolvenzmasse beträgt aber nur rund 650 Millionen Euro. Voraussichtlich werden die Gläubiger:innen also auch ohne Beteiligung der Aktionäre nur einen sehr kleinen Teil ihrer Forderungen bekommen - geschweige denn, dass danach Geld übrig bliebe.

Mit seiner Entscheidung habe der BGH klargestellt, dass Aktionär:innen auch mit ihren Schadensersatzforderungen den Eigenkapitalgeber:innen gleichgestellt werden - die in einem Insolvenzverfahren in der Regel leer ausgehen - sagt Rechtsanwalt Michael Rozijn von der Kanzlei Schultze & Braun. Das Urteil stärke damit die Position der Gläubiger:innen einer Gesellschaft im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern als Eigenkapitalgeber.

Wäre die Entscheidung des BGH anders ausgefallen, wären Insolvenzverfahren wohl komplizierter und aufwendiger geworden, ergänzt Insolvenzverwalterin Elske Fehl-Weileder von derselben Kanzlei. Außerdem hätte die Beteiligung der Aktionäre an der Insolvenzmasse eine geringere Quote für die übrigen Insolvenzgläubiger bedeutet. Die können nach dem BGH-Urteil nun aufatmen.

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