"Markus Lanz"

"Wählerauftrag für unkritische Russland-Politik": Autor nimmt bei "Lanz" deutsche Regierung in Schutz

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von Natascha Wittmann

Autor Andrey Gurkov erläuterte, dass nicht nur die Politik im Umgang mit Russland einen Fehler gemacht habe. Er nahm auch die Gesellschaft und die Wirtschaft in die Pflicht.

Bild: ZDF / Markus Hertrich


Markus Lanz und seine Gäste blickten am Donnerstagabend auf Jahrzehnte deutscher Russlandpolitik zurück. Dabei geriet auch die Frage in den Fokus, wie naiv Deutschland im Umgang mit Wladimir Putin war.

Was lief schief im Umgang mit Russland? Diese Frage stellte Markus Lanz am Donnerstagabend (23. Oktober) in seiner ZDF-Talkshow - und bekam teils unbequeme Antworten. Im Mittelpunkt standen Wladimir Putin und eine Politik aus Deutschland, die lange nicht wahrhaben wollte, mit wem sie es wirklich zu tun hatte. Besonders kritisch beleuchtet wurde dabei der enge Draht zwischen Altkanzler Gerhard Schröder und Putin. Der russische Präsident, so zeigte sich an diesem Abend, wusste offenbar schon früh, wie er deutsche Politiker für sich gewinnen kann.

Publizist Georg Mascolo sprach offen aus, wie geschickt Putin agiert habe: "Er hat gelernt, mit Menschen umzugehen." Putin verstehe es, sein Gegenüber zu umgarnen - "um so sein besonderes Ziel zu erreichen". Für viele Beobachter:innen ist das spätestens im Fall Schröder offenkundig geworden. Autor Andrey Gurkov ergänzte trocken: "Schröder haben die materiellen Möglichkeiten sicherlich gefallen, die sich da in Russland ihm eröffneten."

Doch wie konnte ein früher KGB-Offizier wie Putin derart hofiert werden - nicht nur im Westen, sondern auch in Russland selbst? Lanz wollte wissen: "War den Russen klar, mit wem sie es da zu tun haben?" Gurkov hatte darauf ebenfalls eine klare Antwort: "Ja, es war sogar erwünscht. (...) Es gab eine Sehnsucht nach einer harten Hand." Gurkov beschrieb, dass Putin zwar mit marktwirtschaftlichen Reformen begonnen habe, doch das sei nur die halbe Wahrheit. "Die Reden und die Worte von Putin muss man immer mit den Taten vergleichen. (...) Da relativiert sich das."

Georg Mascolo nennt Nord-Stream-2 einen "der größeren Fehler"

Innerhalb der Sendung kam Lanz auch auf die Annexion der Krim im Jahr 2014 zu sprechen. Der ZDF-Moderator zeigte sich fassungslos und wollte wissen, warum Deutschland trotz der Eskalation im Folgejahr den Bau von Nord-Stream-2 vorangetrieben habe. Georg Mascolo reagierte ehrlich: "Das würde man gerne wissen. Wahrscheinlich unter den vielen schwer zu erklärenden die am schwersten zu erklärende Episode." Laut Mascolo sei nach 2014 nämlich "völlig klar" gewesen, "womit wir es mit Wladimir Putin zu tun haben".

Umso unverständlicher sei es, dass die Bundesregierung ausgerechnet dann die Energieabhängigkeit von Russland noch vertieft habe. Mascolo bezeichnete das als einen "der größeren Fehler". Kein Wunder also, dass der Publizist weiter vom Leder zog und sagte, dass die deutsche Russlandpolitik vor allem "ab 2014 (...) so unerklärlich" sei, "weil klar ist, worauf Wladimir Putin letztlich aus ist. Weil es nur noch um die Frage geht, wie schlimm es mit ihm eigentlich werden wird".

War Deutschland also schlicht zu naiv im Umgang mit autoritären Regimen? Diese Frage stellte Lanz am Donnerstagabend offen. Andrey Gurkov wollte das nicht so stehen lassen. "Es gab im Grunde genommen einen Wähler:innenauftrag für eine unkritische Russland-Politik", erklärte er. Nicht die Politik allein habe versagt, auch Gesellschaft und Wirtschaft hätten auf "billiges Gas" und "Frieden mit Russland" gesetzt, statt die Warnungen ernst zu nehmen.

Andrey Gurkov: "Dieser Krieg hat Russland endgültig von Europa abgeschnitten"

Andrey Gurkov ergänzte, dass sich jedoch mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine alles verändert habe, denn: "Für mich ist die Trennlinie der 24. Februar 2022. Also wer danach immer noch von einer Annäherung an Russland (...) spricht, (...) da kann ich kein positives Wort mehr finden." Journalistin Katja Gloger konnte dem nur zustimmen und beschrieb Putin als "immer autoritärer auftretenden Präsident", der überzeugt sei, "dass er diesen Krieg (...) gewinnt und ihn weiterführen kann, um eine neue Sicherheitsordnung für Europa zu gestalten, die eine russische Sicherheitsordnung sein soll." Ein Fakt, der Andrey Gurkov nachdenklich stimmte. Er sagte besorgt: "Dieser Krieg hat Russland endgültig von Europa abgeschnitten. Russland will sich nicht mehr als Europa verstehen und ist auch nicht Europa."

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