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Pandemie durch Mutation des Vogelgrippe-Virus: So wahrscheinlich ist das Szenario

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von Jana Wejkum

Ein Helfer in Brandenburg sammelt einen toten Kranich auf. Die Zugvögel sind in diesem Jahr besonders von Vogelgrippe betroffen. (Archivbild)

Bild: Christophe Gateau/dpa


Vor wenigen Wochen starb erstmals ein Mensch, der nachweislich mit dem neuen Vogelgrippe-Virus H5N5 infiziert war. Könnte das Virus eine schlimmere Pandemie auslösen als COVID?

Das Wichtigste in Kürze

  • Bisher haben sich nur sehr wenige Menschen je nachweislich mit Vogelgrippe angesteckt oder sind daran gestorben; bei der neuen Variante H5N5 gibt es nur einen bestätigten Todesfall.

  • Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist derzeit nicht möglich, jedoch ist Kontakt mit erkrankten oder toten Tieren unbedingt zu vermeiden.

  • Das Pandemie-Risiko gilt weiterhin als gering und es gibt schon jetzt mögliche Impfstoffe und Medikamente gegen die Vogelgrippe.

Als erster Mensch weltweit ist Mitte November ein Mann im US-Bundesstaat Washington nachweislich mit dem Vogelgrippe-Virus H5N5 gestorben. Der Geflügelhalter sei eine ältere Person gewesen und habe laut dem örtlichen Gesundheitsministerium Vorerkrankungen gehabt.

Im französischen Institut Pasteur, einem Zentrum für Atemwegserkrankungen, befürchtet man, dass eine Mutation des Vogelgrippe-Virus zu einer schlimmeren Pandemie führen könnte, als COVID-19. "Was wir fürchten, ist, dass das Virus sich an Säugetiere, vor allem Menschen, anpasst und zu einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung fähig wird", so Marie-Anne-Rameix-Welti, medizinische Direktorin des Instituts gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario? Die wichtigsten Fakten rund um das Vogelgrippe-Virus kurz zusammengefasst.

Was ist die Vogelgrippe?

Die Vogelgruppe wird genau wie die Grippe beim Menschen von Influenza-A-Viren verursacht. In Deutschland dominiert der Erreger H5N1, auch als "Geflügelpest" bekannt. Er befällt laut Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) seit 2021 ständig Wildvögel und Geflügel.

Die Variante H5N5, an der der verstorbene Mann in den USA infiziert war, ist auch in Deutschland bekannt. Es ist durch den natürlichen Gen-Austausch bei Wildvögeln entstanden, wenn sich Tiere mit mehreren Varianten gleichzeitig infizieren.

Wie kritisch ist der derzeitige Ausbruch?

Die derzeitige Vogelgrippe-Welle besteht schon seit 2022 und ist die größte, die jemals dokumentiert worden ist. Vögel in mehreren Regionen der Erde sind betroffen. Allein in Deutschland wurden in den vergangenen Wochen rund 1,5 Millionen Tiere getötet, weil Vogelgrippe in ihrem Stall nachgewiesen worden ist. Besonders betroffen sind in diesem Jahr Kraniche. Behörden gehen von mehr als 2.000 verendeten Tieren in Deutschland aus. Momentan sinkt die Zahl der gemeldeten Geflügelpest-Fälle wieder.

Die Welle geht von dem besonders krankheitserregenden H5N1-Virus aus, das vor allem Vögel, aber auch Säugetiere befällt. So erkrankten in den USA tausende Milchkühe und auch Menschen.

Wie viele Menschen infizieren sich mit Vogelgrippe?

Das Robert Koch-Institut (RKI) zitiert Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Demnach wurden seit 2003 weltweit über 2.600 Erkrankungen und 1.100 Todesfälle mit Vogelgrippe nachgewiesen. Darunter sind nach Angaben des Europäischen Zentrums für Seuchenkontrolle (ECDC) 992 Infizierte und 475 Tote mit dem Virus H5N1. Zu den betroffenen Ländern zählen etwa Kambodscha, die USA, Spanien, Großbritannien, Türkei und weitere Länder in Asien. In Deutschland sind laut RKI noch keine Fälle bekannt.

Infektionen bei Menschen sind bislang also sehr selten. Jedoch begünstigen menschliche Aktivitäten - wie etwa Tiertransporte, Massentierhaltung und Geflügelhandel - Ausbrüche von Vogelgrippe bei Tieren.

Wie kann ich mich vor einer Vogelgrippe-Infektion schützen?

Das Virus H5N1 ist bei hoher Infektionsdosis auf Menschen übertragbar. Ähnliches lässt sich bei der Variante H5N5 vermuten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält eine Übertragung nur dann für wahrscheinlich, wenn direkter und enger Kontakt mit infizierten Tieren besteht.

Neben Zugvögeln infizieren sich bisweilen auch Schweine, Pferde, Wild- und Hauskatzen. Die Übertragung kann durch kontaminierte Staubpartikel, Tröpfchen- oder Schmierinfektionen erfolgen, etwa bei Kontakt mit Ausscheidungen der Tiere.

Welche Vorsichtsmaßnahmen sollte ich ergreifen?

Die Bundesregierung informiert auf ihrer Website über das richtige Verhalten im Umgang mit Vogelgrippe:

  • Menschen, die durch ihre Arbeit mit Geflügel ein erhöhtes Infektionsrisiko haben, sollten geeignete Schutzkleidung, Maske und Schutzbrille tragen.

  • Bürger:innen sind dazu aufgerufen, Kontakt mit Wildvögeln zu meiden.

  • Von toten Singvögeln geht kein Risiko aus.

  • Größere tote Vögel wie Gänse, Schwäne, Enten, Kraniche oder Greifvögel sollten dem Veterinäramt oder der Polizei gemeldet und nicht angefasst werden.

  • Der Verzehr von Geflügel und Eiern ist unbedenklich. Wie üblich sollten diese Lebensmittel gut durchgegart werden.

  • Besitzer:innen von Katzen und Hunden sollten darauf achten, dass diese nicht durch Freilauf mit toten Wildvögeln in Kontakt kommen.

Sind Vogelgrippe-Mutationen gefährlich für Menschen?

Zwar stuft die US-Gesundheitsbehörde CDC die Variante H5N5 weiterhin als wenig risikoreich für Menschen ein. Das RKI warnt dennoch: "Ob sich ein bestimmtes Vogelinfluenzavirus genetisch so verändern und an den Menschen anpassen kann, dass es von Mensch zu Mensch übertragbar wird, lässt sich nicht vorhersagen."

Marie-Anne Rameix-Welti vom Institut Pasteur in Frankreich gibt zu bedenken, dass Menschen zwar Antikörper gegen die saisonale Grippe besitzen, jedoch keine gegen die H5-Viren der Vogelgrippe. Insofern ist die Situation ähnlich, wie beim COVID-19-Virus. Auch dort musste erst durch Impfungen eine Immunität aufgebaut werden. Laut Remeix-Welti wäre ein mutiertes Vogelgrippe-Virus aber gefährlicher als Coronaviren. Denn Grippeviren könnten potenziell auch gesunde Menschen und Kinder töten.

Muss ich mir Sorgen um eine erneute Pandemie machen?

Das RKI hält eine Vogelgrippe-Pandemie für möglich: "Wenn solche Viren die Fähigkeit erlangen, von Mensch zu Mensch übertragen zu werden, können sie eine Pandemie auslösen." Bisher wurde eine Übertragung von Mensch zu Mensch noch nicht nachgewiesen, weshalb das Risiko von Expert:innen weiterhin als gering eingeschätzt wird.

Falls eine Mutation die Ansteckung zwischen Menschen ermöglicht, gibt es laut der medizinischen Direktorin des Institut Pasteur keinen Grund zur Panik. Die Welt sei mittlerweile besser auf eine Pandemie vorbereitet: "Das Positive an Grippe im Vergleich zu COVID ist, dass wir Vorsichtsmaßnahmen ergriffen haben. Wir halten potenzielle Impfstoffe bereit und wir wissen, wie wir einen Impfstoff schnell herstellen können." Zudem gebe es Vorräte antiviraler Medikamente, die gegen Vogelgrippe wirksam seien, so Remeix-Welti.


Verwendete Quellen:

Bundesregierung: "Fragen und Antworten zur Vogelgrippe"

RKI: "RKI zu humanen Erkrankungen mit aviärer Influenza (Vogelgrippe)"

CDC: "Bird Flu"

European Centre for Disease Prevention and Control: "Communicable disease threats report, 11 -17 October 2025, week 42"

RND: "Erster Mensch durch seltene Vogelgrippe-Variante gestorben"

Nachrichtenagentur Reuters

taz: "Erster Toter in den USA – wie gefährlich ist H5N5?"

Stuttgarter Zeitung: "Wie gefährlich sind Vogelgrippe-Mutationen für Menschen?"

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