Mutter wurde gefesselt

Nach Schuss auf Zwölfjährige: Polizei will gegen Online-Beleidigungen vorgehen

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von dpa

Der Schuss aus der Dienstwaffe traf das Mädchen am Bauch. (Symbolbild)

Bild: Matthias Balk/dpa


Die Bochumer Polizei rechtfertigt ihren Einsatz: Das angeschossene Mädchen habe lebenswichtige Medikamente benötigt. Beleidigende Kommentare gegenüber Beamt:innen sollen nicht ungestraft bleiben.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das zwölfjährige gehörlose Mädchen wurde vom Schuss eines Polizisten am Bauch getroffen und mit zunächst lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.

  • Ob die Bodycams der Polizist:innen eingeschaltet waren, wird noch ermittelt.

  • Die Polizei erhielt beleidigende Kommentare auf Social Media, denen sie bei strafrechtlicher Relevanz nachgehen werde.

Nach dem Schuss eines Polizisten auf eine Zwölfjährige in Bochum gehen die Ermittler:innen davon aus, dass das Mädchen die Beamten zuvor angegriffen hat. Der Schuss aus der Dienstwaffe sei erst gefallen, als sich die Zwölfjährige mit zwei Messern in der Hand unmittelbar vor den Polizisten befunden habe, betonten Polizei und Staatsanwaltschaft. Kurz zuvor seien der Mutter des Mädchens Handschellen angelegt worden.

Die Zwölfjährige wurde in der Nacht zum Montag (17. November) am Bauch getroffen und mit zunächst lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.

Zu dem Einsatz war es gekommen, weil die Zwölfjährige in ihrer Wohngruppe in Münster vermisst wurde und offensichtlich zu ihrer Mutter nach Bochum gefahren war. Als die vier eingesetzten Beamt:innen dort an der Wohnungstür klingelten, habe die Mutter erst nach einer Stunde gegen 1:30 Uhr in der Nacht die Tür geöffnet.

Mutter wurde gefesselt

In der Wohnung hätten die Beamt:innen dann das vermisste Mädchen und ihren Bruder sehen können - allerdings habe die Mutter ihnen den Zutritt zur Wohnung versperrt. "Um zu dem Mädchen zu gelangen, zogen die Einsatzkräfte die Mutter in den Hausflur und fixierten sie", schrieben Polizei und Staatsanwaltschaft.

"Daraufhin betraten die Einsatzkräfte die Wohnung. In diesem Moment trat die Vermisste aus der Küche und griff mit zwei größeren Küchenmessern in der Hand die Beamten an." Zwei Polizist:innen hätten daraufhin zu ihren Waffen gegriffen - einer zu einem Elektroimpulsgerät (DEIG), einer zu seiner Dienstwaffe. "Als sie sich unmittelbar vor den Polizisten befand, setzten diese die Schusswaffe und das DEIG ein", schrieben Polizei und Staatsanwaltschaft.

Die Ermittlungen der Mordkommission liefen weiterhin auf Hochtouren, teilten die Behörden weiter mit.

Tochter und Mutter sind gehörlos

Besonders schwierig könnte der Einsatz auch dadurch gewesen sein, dass nach Angaben der Polizei sowohl die Zwölfjährige als auch die Mutter gehörlos sind. Ob und wie überhaupt eine Kommunikation zwischen den Einsatzkräften und den beiden Gehörlosen möglich war, werde weiter ermittelt, sagte ein Polizeisprecher.

Ein Gebärdendolmetscher sei bei dem Einsatz nicht dabei gewesen. Da klar gewesen sei, dass die Zwölfjährige seit Stunden ihre lebenswichtigen Medikamente nicht genommen habe, sei entschieden worden, mit dem Einsatz mitten in der Nacht möglichst schnell an sie heranzukommen, um sie zu einem Arzt bringen zu können.

"Hätten wir noch weitere Stunden gewartet, wäre es womöglich zu spät gewesen", sagte der Sprecher. "Außerdem kann man sich mit Gehörlosen eigentlich gut verständigen - mit Hand und Fuß, mit Zettel und Stift oder einer App."

Ermittlungen zu Bodycams

Ob die Bodycams der Polizist:innen während des Einsatzes angeschaltet waren und das Geschehen aufgenommen haben, sei "Gegenstand der Ermittlungen", sagte der Polizeisprecher. Bodycams gehören zur Ausrüstung der Polizist:innen in Nordrhein-Westfalen, müssen aber in Einsätzen von den Beamt:innen bewusst eingeschaltet werden, damit sie Aufnahmen machen.

Polizei Bochum erhält beleidigende Kommentare

Die für den Einsatz zuständige Polizei Bochum schrieb in sozialen Medien, sie erhalte derzeit viele Kommentare zum Geschehen, "mit teilweise beleidigendem Inhalt". "Wir verstehen, dass das Thema emotional besetzt ist", hieß es weiter in einem Post auf der Plattform X und bei Whatsapp. Man werde strafrechtlich relevante Kommentare aber konsequent verfolgen.

Wie bei einem Schusswaffengebrauch durch Polizist:innen üblich, werden die Ermittlungen zu dem Geschehen von einer anderen Behörde geführt. In diesem Fall ist das Polizeipräsidium Essen zuständig.

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