Neues Sicherheitskonzept
Nach Kritik am Klaasohm-Brauch: Kein Frauen-Schlagen mit Kuhhörnern mehr - So feiert Borkum heute
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von Jana WejkumZum Abschluss des Festes stürzen sich die Klaasohms von einer Säule in eine Menschenmenge. (Archivbild)
Bild: Lars Penning/dpa
Nachdem öffentlich wurde, dass Frauen beim Fest mit Kuhhörnern geschlagen worden waren, hagelte es Kritik. Ein Jahr später soll sich einiges geändert haben.
Auch in diesem Jahr wird auf der Nordseeinsel Borkum der Nikolausbrauch Klaasohm gefeiert - allerdings mit einigen Änderungen. Im vergangenen Jahr hatte es heftige öffentliche Kritik gegeben, weil das Schlagen von Frauen mit Kuhhörnern Teil des Brauches war.
Ein Bericht des ARD-Magazins "Panorama" hatte 2024 gewalttätige Übergriffe auf Frauen bei einem vergangenen Fest auf der ostfriesischen Insel dokumentiert. Daraufhin hatte der Verein Borkumer Jungens, der das Klaasohm-Fest veranstaltet, diesen Teil des Brauchs bereits 2024 gestrichen.
Klaasohm solle am 5. Dezember "ein sicheres und verbindendes Fest für die Borkumerinnen und Borkumer" werden, so der Verein in einem kürzlich erschienenen Bericht des Borkumer Inselmagazins "Borkum erleben", den auch die Stadt auf ihrer Website veröffentlichte.
Im Mittelpunkt stünden Respekt, Rücksichtnahme und ein harmonisches Miteinander. Der Verein "Borkumer Jungens" lehnte ein Interview zum diesjährigen Klaasohm-Fest auf Anfrage der Deutschen Presse Agentur (dpa) ab.
Neues Schutzkonzept habe sich bewährt
Das Schutzkonzept aus dem vergangenen Jahr solle es auch 2025 wieder geben, sagt Inselbürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos). Neben der Polizei waren 2024 bei den Umzügen Ordner-Teams mitgelaufen. Zusätzlich hatte die Stadt eine Telefonnummer und Räume eingerichtet, wo sich Frauen melden konnten, sollte es zu gefährlichen oder unangenehmen Situationen kommen. Laut dem Bürgermeister habe sich das Konzept bewährt.
"Diese Hilfsangebote stellen die wesentliche Veränderung und Weiterentwicklung gegenüber früherer Jahre dar. Ansonsten wird das Fest unverändert ausgerichtet", sagt Akkermann der dpa. Das Schlagen mit Kuhhörnern sei nie ein zentraler Bestandteil von Klaasohm gewesen, betont der Bürgermeister. "Das bestehende Verbot des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern verändert daher nicht den Kern der Tradition."
Nach Medienberichten: Verein zog Konsequenzen
In dem Bericht des "Panorama"-Magazins berichteten Borkumerinnen anonym von aggressiven Übergriffen während eines früheren Klaasohm-Festes. Ein Team filmte, wie Frauen bei einem vorherigen Fest auf der Straße von "Fängern" festgehalten wurden und ihnen die verkleideten Klaasohms mit einem Kuhhorn auf den Hintern schlugen.
Es folgte eine Welle bundesweiter Empörung, bei der Polizei gingen insgesamt 25 Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Unbekannt und Strafvereitelung im Amt ein. Die Staatsanwaltschaft Aurich stellte die Ermittlungen im Frühjahr ein. Keine möglichen Geschädigten hätten die Straftaten angezeigt.
Die Berichterstattung sei von den Insulanern "insgesamt als sehr belastend erlebt", sagt Bürgermeister Akkermann. Es sei ein Bild entstanden, dass am 5. Dezember auf Borkum Recht und Gesetz außer Kraft gesetzt sei und Frauen wie "Freiwild" behandelt würden, kritisiert Akkermann.
Der Verein "Borkumer Jungens" findet die Berichterstattung über die "kritischen Elemente des Festes" rückblickend "nachvollziehbar", sagte dessen Vorsitzender gegenüber "Borkum erleben". Der Verein habe die Kritik ernst genommen und Konsequenzen gezogen.
"Eine kritische Auseinandersetzung mit Traditionen ist legitim", sagte der Vorsitzende dem Blatt weiter. "Für die Zukunft wünschen wir uns einen Dialog, der den Wandel anerkennt und auch die Kernanliegen des Festes beleuchtet. Gemeinschaft, Wiedersehen, Brauchtum und Zusammenhalt."
Was passiert bei Klaasohm?
Am Abend vor Nikolaus verkleiden sich auf Borkum sieben junge, unverheiratete Männer, Mitglieder des Vereins "Borkumer Jungens", mit Masken, Schafsfellen und Vogelfedern als Klaasohms. Einer verkleidet sich als das sogenannte Wievke, eine Frauenfigur. Es gibt je zwei kleine ("lüttje") Klaasohms im Alter von 14 bis 15 Jahren, mittlere ("middelste") im Alter von 16 bis 17 Jahren und große ("grote") Klaasohms ab 18 Jahren. Alle sind mit Kuhhörnern unterwegs.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen die Männer unter sich einen rituellen Kampf aus und ziehen dann auf festgelegten Routen über die Insel. Junge Frauen werden gefangen - und wurden offenbar bis vor zwei Jahren mit dem Kuhhorn verhauen. Auf dem zentralen Platz von Borkum endet das Klaasohm-Fest, wenn sich alle Klaasohms und das Wievke von der dort stehenden Litfaßsäule der Reihe nach in die Arme der jubelnden Menschenmenge fallen lassen.
Weil das Fest im Winter stattfindet, wenn kaum Tourist:innen auf Borkum sind, bleiben die Inselbewohner:innen unter sich. Das Fest wird unter Borkumer:innen auch als der "hoogste Fierdag" - also der höchste Feiertag - bezeichnet. Laut Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) stehe seit jeher der gemeinschaftliche Gedanke im Vordergrund. Die Ferieninsel vermarktet das Fest bewusst nicht.
Warum wird Klaasohm gefeiert?
Die Ursprünge des Klaasohm-Brauchs sind unbekannt. Auffallend sind aber die Bezüge zum Fest des heiligen Nikolaus am 6. Dezember. Da Nikolaus der Schutzpatron der Seefahrer war, hält Welf-Gerrit Otto, Leiter der Regionalen Kulturagentur bei der Ostfriesischen Landschaft, einen Zusammenhang für möglich. Auch auf der ostfriesischen Insel Juist werde das Nikolausfest gefeiert, dort unter Einbeziehung der Kinder. Dass sich im evangelischen Ostfriesland dieses ursprünglich katholische Nikolausfest erhalten habe, erkläre er sich mit dem Bezug zur Seefahrt, sagt Otto.
Verwendete Quellen:
Nachrichtenagentur dpa
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