ZDF-Talk

Wirtschaftsweise warnt bei Illner vor Rentenkollaps: "Die Menschen werden den Generationenvertrag aufheben"

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von Doris Neubauer

Veronika Grimm forderte bei "Maybrit Illner" echte Reformen des Rentensystems. Andernfalls werde das System kollabieren.

Bild: ZDF/Jule Roehr


Die geplante Rentenreform von Bärbel Bas stößt auf Kritik. Im ZDF-Talk von Maybrit Illner fand Wirtschaftsweise Veronika Grimm nun deutliche Worte und appellierte eindringlich zum "Z'sammraufen".

Auf einen Industriestrompreis konnten sich Union und SPD beim gestrigen Koalitionsausschuss genauso einigen wie auf eine Senkung der Ticketsteuer im Luftverkehr. Auch bei der umstrittenen Rentenreform von Arbeitsministerin Bärbel Bas hofft die "Arbeitskoalition" auf Einigung. "In der Sache ist es geboten, dass man das so macht", forderte Alexander Schweitzer, SPD-Ministerpräsident Rheinland-Pfalz, bei Maybrit Illner (ZDF) am Donnerstagabend (13.11.2025) Verlässlichkeit für die Menschen, die von der gesetzlich umlagefinanzierten Rente leben.

Man rede hier schließlich nicht über "ein Charity-Projekt". Und Schweitzer setzte eines drauf: "Mit Blick auf die Koalition: Verträge sind einzuhalten", verlangte er Kompromissbereitschaft seitens der CDU/CSU und schielte damit die jungen Abweichler in den eigenen Reihen. "Die SPD macht ja auch ein paar Sachen mit, die nicht so Spaß machen - das muss man aushalten."

Ministerpräsident Haseloff: "Da muss uns mehr einfallen"

Unzuverlässigkeit wollte sich der CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff keinesfalls vorwerfen lassen. Fakt sei aber: "Finanziell ist es nicht zu wuppen." Erst müsse sich Deutschland konsolidieren und bezog auch andere Punkte wie das Bürgergeld und andere Sozialleistungen an. Haseloff sprach er von einem "Riesenbatzen Geld an versicherungsfremden Leistungen, die wir aus dem Bundeshaushalt finanzieren müssen und nicht über das Umlagesystem, wofür es eigentlich geschaffen wurde. Das kann nicht weiter anwachsen, da muss uns mehr einfallen."

Ideen zur Reformierung des Rentensystems gebe es laut Wirtschaftsweise Veronika Grimm genug - von der Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung, dem Einsetzen des Nachhaltigkeitsfaktors bis hin zu einer sinnvollen Härtefallregelung statt der Rente ab 63. Zudem müsse man stärker auf eine kapitalmarktorientierte Rente setzen, brachte sie in der Sendung zum Thema "Kein Aufschwung, kein Vertrauen - Zerreißprobe für Schwarz-Rot?" ganz pragmatische Vorschläge.

Grimm: "Das System wird in sich zusammenbrechen"

Eines sei jedoch klar: "Dass die Rente nicht nachhaltig aufgestellt ist und wir wirklich in ein Finanzierungsproblem laufen", warnte sie vor der geplanten Rentenreform, die die Kosten nur weiter steigen ließen. Die Konsequenz: Das System werde in sich zusammenbrechen. Bereits ab 2029 würden die Posten Sozialausgaben, Verteidigungsausgaben und Zinskosten die gesamten Einnahmen des Bundes aufzehren, so Grimm. "Die Menschen werden den Generationenvertrag aufheben, weil er nicht finanzierbar ist", mahnte sie.

Dabei sei Deutschland ein "tolles Land": "Wir müssen uns z'sammraufen' und die Probleme angehen", appellierte sie an die versammelte Runde, "und das bedeutet, wir müssen Spielräume im Haushalt schaffen über kostensenkende Reformen, und wir brauchen Wachstum".


Ministerpräsident Haseloff: "Wir verlieren unsere Leitindustrien"

Während Grimm dieses potenzielle Wachstum im Hochtechnologiebereich bei KI, Gentechnik, Pharmaindustrie und Medizin verortete, setzten die beiden Politiker auf Traditionsindustrien - Automobilwirtschaft, Stahl, Chemie. Diese hätten durch Beschlüsse wie den Green Deal, den Zertifikatehandel der EU und den zusätzlichen Maßnahmen Deutschlands einen Wettbewerbsnachteil, klagte Haseloff: "Wir verlieren unsere Leitindustrien, die für unsere Volkswirtschaft drastisch wichtig sind." Er forderte nicht nur ein Aufbrechen dieser EU-Gesetze und staatliche Subventionen, sondern Resilienz: "Wir müssen auch eine Selbsterhaltungskraft haben, dass wir (...) von Industrie bis hin zu Stahl, die wir auch für Verteidigungs- und Aufrüstungsaktivitäten benötigen, dass wir das nicht weggeben." Es sei absurd, "den Stahl vom Russen einzuführen" und ihn "danach mit dem Panzer zu konfrontieren, damit er bei uns nicht einmarschiert."

"Halten um jeden Preis", brachte es Schweitzer auf den Punkt. Denn "das Beste ist die Menschen arbeiten für ihr Geld, in der Industrie, im Handwerk - dann brauchen wir die Sozialstaatsdebatte nicht zu führen."

Fortschritt und Aufbruchstimmung

Mit diesen Argumenten konnte Grimm wenig anfangen. Man müsse sich auf einen "zukunftsgerichteten Strukturwandel" einlassen, betonte sie: "Nur dann werden wir den Menschen gute Arbeitsplätze auch morgen versprechen können." Derzeit sei die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands schlecht "und das Wegsubventionieren wird eine Verschwendung von Geld sein". Zudem könne man sich nicht durch das Halten bestimmter Industrien von der Außenwelt unabhängig machen. "Das Eisenerz importieren wir ja auch."

Im Moment bremse Deutschland technologischen Fortschritt aus, brachte sie das Beispiel des autonomen Fahrens. Hier würde der fehlende Datenaustausch den Durchbruch verhindern. "Das sind Dinge, die könnte man ändern und hätte gleich einen Fortschritt", meinte sie, "dann wäre auch mehr Aufbruchstimmung." Genau das also, was diese Bundeskanzler Merz versprochen hat.

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