Kontroverser TV-Talk
Wirtschaftsweise Schnitzer bei Maischberger: "Die Rente ist nicht sicher“
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von Marko SchlichtingMonika Schnitzer (links) widerspricht Karl Lauterbach (mitte) bei Sandra Maischberger (rechts) in Sachen Rentenpolitik.
Bild: WDR/Oliver Ziebe
Der Rentenstreit in der schwarz-roten Koalition geht weiter. Am Mittwochabend diskutieren bei Sandra Maischberger Lauterbach und Wirtschaftsweise Schnitzer über das geplante Rentenpaket. Am 4. Dezember wird darüber abgestimmt.
Der Streit in der Bundesregierung um das Rentenpaket hält weiter an. Am Donnerstagabend (27. November) trifft sich der Koalitionsausschuss, um unter anderem darüber zu beraten. Unions-Fraktionschef Jens Spahn redet am Freitagvormittag mit den jungen Rebell:innen aus seiner Partei, um sie davon zu überzeugen, am 4. Dezember bei der Abstimmung im Bundestag für das Rentenpaket zu stimmen. Die junge Gruppe in der Union lehnt das ab. Noch. Doch die Abgeordneten müssen davon ausgehen, dass sie im Ernstfall die Regierung zu Fall bringen. Das können sie nicht wollen. Also wird ein Kompromiss gefunden werden müssen.
Unterdessen haben sich führende Wirtschaftswissenschaftler:innen auf die Seite der Unionsrebell:innen geschlagen. Die wollen erreichen, dass die Renten bis 2040 nicht so stark steigen, wie sich das vor allem der Koalitionspartner SPD wünscht. Karl Lauterbach war früher Gesundheitsminister in der Ampelkoalition, ist aber eigentlich SPD-Sozialpolitiker. In der ARD-Talkshow mit Sandra Maischberger trifft er auf die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer.
Schnitzer widerspricht Lauterbach deutlich
Die Rente sei immer noch sicher, sagt Lauterbach. Nur die Höhe nicht. "Die Rente, wie wir sie heute haben, ist nicht sicher", widerspricht Schnitzer. Und damit sind die Fronten geklärt.
Der Bund müsse die Rente bezuschussen, antwortet Lauterbach auf eine Frage der Moderatorin. Damit würden die Renten von Ostdeutschen gestützt, die früher in der DDR niedrigere Löhne gehabt hätten. Auch die Mütterrente werde so finanziert, aber auch Ausbildungszeiten von Menschen, die studiert haben. Lauterbach: "Wenn jemand sagt, was ich oft höre: Weg mit dem Zuschuss, dann wären all diese Leistungen weg, oder der Beitragssatz würde in die Höhe springen. Dann würden sich die Arbeitgeber:innen bedanken. Also: Dass wir einen Zuschuss benötigen, ist klar. Die Frage ist, wie viel davon für die Haltelinie sinnvoll ist." Haltelinie – das Wort wird bei der Diskussion am Mittwochabend häufiger fallen. Gemeint ist damit, dass das Rentenniveau weiter bei 48 Prozent bleibt. Geht es nach der SPD, auch nach 2031.
"Das ist nichts, was eigentlich zu vertreten ist"
Wie sinnvoll diese Zahlungen sind, stellt Monika Schnitzer infrage. "Davon wird zum Beispiel auch die Rente mit 63 bezahlt, und das ist nichts, was eigentlich zu vertreten ist. Das Gleiche gilt für die Mütterrente. So viel Geld auszugeben, darüber kann man sich streiten." Schnitzer setzt sich ebenso wie die jungen Unions-Abgeordneten dafür ein, das Rentenpaket zu verschieben, es also nicht schon am 1. Januar 2026 starten zu lassen. Man habe einen Fehler gemacht, als vor den Koalitionsverhandlungen eine echte Reform der Rente abgelehnt worden sei, sagt Schnitzer.
Man habe mit der SPD eine Haltelinie vereinbart, die Mütterrente für die CSU und die Aktivrente für die CDU. "Aber das, was eigentlich zu tun wäre, nämlich die Rente und das Rentensystem auf Dauer zu stabilisieren, das soll eine Reformkommission sich ausdenken. Man hat gesagt, das solle auf die Zukunft verschoben werden. Man hat also den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht: Man hat erstmal verteilt, und das soll jetzt eingefangen werden. Das ist natürlich die falsche Reihenfolge."
Lauterbach nennt das Rentensystem "ungerecht"
Das Problem: Die Rentenkommission, die bereits im Sommer 2026 ihre Vorschläge vorlegen sollte, ist eine von vielen. Sandra Maischberger fragt nach: "Sollte man nicht jetzt endlich Entscheidungen treffen?" Lauterbach antwortet: Die Kommission greife auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurück und müsse einen fairen Interessensausgleich schaffen. "Ich glaube, dass wir eine große Rentenreform benötigen. Ich glaube aber auch, dass die Verengung der Diskussion, die wir derzeit haben, also dass man sagt, weil die Jungen die Verlierer und die Babyboomer die Gewinner sein, brauche man die Reform, das springt zu kurz."
Das Rentensystem sei ungerecht, weil es Menschen mit geringeren Einkommen benachteilige. Diese Menschen hätten in der Regel eine kürzere Lebenserwartung und zögen nichts aus der Rente heraus. "Aber dann verschieben Sie doch das Paket und gehen gleich in die Kommission. Wo ist das Problem?" fragt Maischberger. "Wir sind jetzt an dem Punkt, wo wir die vier Punkte beschließen können", antwortet Lauterbach. "Aber wenn wir dann in einer großen Reform zu Überzeugungen kommen, dass da noch einmal etwas verändert werden muss, und wir haben dann tatsächlich eine Reform, die ehrlich auch dann die Ungerechtigkeiten benennt, dann würde ich jederzeit diskutieren."
Wirtschaftsweise: "Das macht einfach keinen Sinn!"
Was Lauterbach eigentlich sagt ist: Man will jetzt etwas beschließen, und dann soll die Rentenkommission prüfen, ob das gut war, um danach möglicherweise etwas Neues zu beschließen. "Das macht einfach keinen Sinn", sagt Schnitzer, "Denn das wird jetzt sehr viel Geld kosten, gerade die Haltelinie des Rentenniveaus bei 48 Prozent. 2029 sind das fünf Milliarden Euro, 2030 zehn, 2031 fünfzehn Milliarden. Und das wird sich so hinziehen. Das alles muss dann vom Steuergeld bezahlt werden. Und das alles, um ein Gerechtigkeitsproblem zu lösen. Das könnte man sehr viel leichter lösen." Geringverdiener:innen bekämen zu wenig Rente, doch jetzt liege das Rentenniveau für alle bei 48 Prozent. "Um den Geringverdienern zu helfen, muss ich nicht auch den hohen Rentenbeziehern etwas schenken", sagt die Wirtschaftsweise.
Am Ende sind die Ziele gleich
Am Ende wollen der Sozialpolitiker und die Wirtschaftswissenschaftlerin das Gleiche: Kein einheitliches Renteneinstiegsalter mehr sowie ein neues Rentensystem, bei dem auch Beamt:innen in die Rentenversicherung einzahlen. Dass das alleine nicht reicht, ist beiden Gästen klar. Doch das wäre schon einmal ein Anfang.
Und überhaupt: Lauterbach und Schnitzer zeigen an diesem Abend, wie es auch gehen könnte. Sie diskutieren ruhig miteinander, tauschen ruhig ihre Meinungen aus. Von Streit keine Spur. Das wünscht man sich auch von der Bundesregierung.
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