Polit-Talk über die Nürnberger Prozesse
"Warum hast du mitgemacht?" Sohn von NS-Verbrecher rechnet bei Lanz ab
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von Natascha WittmannNiklas Frank (rechts) rechnete bei Markus Lanz (links) schonungslos mit seinem Vater, dem NS-Verbrecher Hans Frank, ab.
Bild: ZDF / Cornelia Lehmann
Bei "Markus Lanz" wurde es persönlich und politisch zugleich: Niklas Frank rechnete mit dem NS-Verbrecher Hans Frank – seinem eigenen Vater – schonungslos ab. Während die Runde über die Lehren aus Nürnberg sprach, ging es auch um heute: Wie brüchig ist der Respekt vor dem Völkerrecht?
Die Nürnberger Prozesse gelten als Wendepunkt des internationalen Rechts. Doch bei "Markus Lanz" wurde am Dienstagabend deutlich: Bis heute ist die Aufarbeitung nicht abgeschlossen. Besonders emotional wurde es, als Niklas Frank, Sohn des NS-Verbrechers Hans Frank, über das Erbe seines Vaters sprach.
Hans Frank, einst "Generalgouverneur" im besetzten Polen, wurde in Nürnberg zum Tode verurteilt. Sein Sohn, Niklas Frank, erinnerte sich bei Lanz offen und schonungslos an die eigene Familiengeschichte - und an seine Enttäuschung: "Warum hast du mitgemacht? Das werde ich mein Leben lang nicht verstehen."
Niklas Frank: Erinnerung von Abscheu geprägt
Er sprach von einem Mann, der die Verbrechen nicht nur mitgetragen, sondern aktiv vorangebracht habe - und bis zuletzt jede Schuld leugnete. In Briefen soll er noch aus dem Gefängnis geschrieben haben: "Ich war niemals ein Verbrecher. (...) Eines Tages wird die Wahrheit über mich herauskommen."
Niklas Frank war damals sieben Jahre alt. Die Erinnerung an seinen Vater ist von Abscheu geprägt - nicht nur wegen der Taten, sondern auch wegen der Uneinsichtigkeit. Obwohl er grundsätzlich gegen die Todesstrafe sei, sagte er: "Meinem Vater gönne ich sie rundherum."
Warum hast du mitgemacht? Das werde ich mein Leben lang nicht verstehen.
"Wichtigstes Urteil der Weltgeschichte"
Journalist Ronen Steinke zeigte Verständnis für Franks Haltung, gestand aber auch ein: "Nichts kann ja irgendwie die Welt wieder ins Lot bringen nach einem solchen Massenmord." Er berichtete von der mangelnden Bereitschaft der deutschen Nachkriegsgesellschaft, sich mit den Nürnberger Prozessen zu identifizieren: "Die Westdeutschen (...) haben sich komplett vernagelt gezeigt und das eigentlich abgetan, als sei das keine richtige Justiz."
Steinke sprach von einer "kompletten Verweigerung", die erst viel später - in den 90er-Jahren aufgebrochen worden sei. Steinke betonte dabei, dass international längst ein anderer Ton herrschte und dass die Prozesse in Nürnberg als möglicherweise "wichtigstes Urteil der Weltgeschichte" gesehen wurden.
Völkerrechtler: Prozess "absolut eingekürzt"
Und das, obwohl innerhalb des Verfahrens nicht alles ideal lief. Völkerrechtler Kai Ambos sprach von einem "absolut eingekürzten" Prozess, der nicht alle Opfer zu Wort kommen ließ. Dies habe zu einer "Retraumatisierung bestimmter Opfer - zum Beispiel jüdischer Opfer" geführt, "die (...) nicht aussagen konnten".
Historikerin Henrike Claussen bestätigte dies und nannte eine erschütternde Zahl: "Die meisten Zeugen im Verfahren sind Zeugen der Verteidigung." Von rund 140 Zeugen seien nämlich nur 29 für die Anklage aufgetreten. Steinke ergänzte, dass man den Angeklagten außerdem bis zuletzt Gestaltungsraum für die Selbstdarstellung ließ, etwa indem sie ihre Uniformen tragen durften: "Man hat denen weiterhin erlaubt, sich zu inszenieren für die Nachwelt."
Lehren für die Demokratie
Zum Schluss richtete Markus Lanz den Blick in die Gegenwart: Wie stabil ist unsere Demokratie heute? Und: Welche Lehren ziehen wir aus Nürnberg? Steinke verwies zunächst auf den Internationalen Strafgerichtshof, den es heute gibt. Doch auch hier sieht Steinke dunkle Wolken aufziehen.
Der Journalist kritisierte in dem Zusammenhang Bundeskanzler Friedrich Merz, der erklärte hatte, einen internationalen Haftbefehl gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu ignorieren zu wollen. Steinkes scharfer Kommentar: "Das macht mir auch große Sorge. Das ist eine Erosion des Respekts vor dem Völkerrecht, die den Deutschen am allerschlechtesten zu Gesicht steht."
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