Extremistische Gewalttaten

Sachsen: Mammutprozess gegen prominente Linksextreme startet

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von dpa

Vor dem Oberlandesgericht Dresden soll gegen weitere Mitglieder einer linksextremistischen Gruppe verhandelt werden.

Bild: Jan Woitas/dpa


Einer der größten Prozesse zu linksextremen Straftaten startet: Ermittler:innen werfen Johann G. und sechs weiteren Personen Straftaten bis hin zu versuchtem Mord vor. Der Fall aus Sachsen polarisiert.

Etwa ein Jahr nach der Verhaftung des mutmaßlichen Linksextremisten Johann G. beginnt am Dresdner Oberlandesgericht der Prozess gegen ihn und sechs weitere Beschuldigte. Darunter ist auch eine Frau. Das am Dienstag (24. November) startende Verfahren ist de facto die Fortsetzung der Verhandlung gegen die an gleicher Stelle verurteilte Studentin Lina E. und drei ihrer Mitstreiter, denn alle sollen der gleichen Gruppe angehört haben. Es wird ein Mammutprozess erwartet, der sich bis 2027 hinziehen könnte.

Angriffe gegen Personen aus rechter Szene

Nach Ansicht der Generalbundesanwaltschaft sollen alle einer spätestens Ende 2017 oder Anfang 2018 in und um Leipzig gegründeten Vereinigung angehört haben, deren Mitglieder eine militante linksextremistische Ideologie teilten. Das habe die Ablehnung des Rechtsstaates, des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung sowie des staatlichen Gewaltmonopols eingeschlossen, hieß es. Der Vorwurf lautet auf Mitgliedschaft oder Unterstützung einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung.

Die auch überregional vernetzte Gruppe soll über mehrere Jahre hinweg gewaltsame Angriffe gegen Personen aus der rechten Szene verübt haben. Die Aktionen seien dabei in der Regel intensiv vorbereitet worden. Laut Anklage haben die Beschuldigten in wechselnden Besetzungen Straftaten wie gefährliche Körperverletzung, versuchten Mord und Sachbeschädigung begangen. Zudem zählen Urkundenfälschung und versuchter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zu den Vorwürfen. Zwei Angeklagten wird zudem Diebstahl von Waffen zur Last gelegt.

Lina E.: Mehr als fünf Jahre Haft

Ende Mai 2023 hatte das OLG Dresden die Studentin Lina E. wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Gegen drei Mitbeschuldigte verhängte die Staatsschutzkammer Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten und drei Jahren und drei Monaten. Auch damals ging es um Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung oder deren Unterstützung. Zwei der Männer mussten sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, der Dritte wegen Beihilfe dazu. Das Gericht blieb mit dem verhängten Strafmaß unter den Anträgen der Bundesanwält:innen - sie wollten acht Jahre Haft für Lina E..

Kronzeuge belastet Gruppe

Die Anklagevertretung warf den jungen Leuten vor, von 2018 bis 2020 tatsächliche oder vermeintliche Anhänger:innen der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben. Ein Kronzeuge hatte sie belastet. Er berichtete von regelmäßigen Trainings für die Angriffe.

Laut Anklage wurden 13 Menschen verletzt, zwei davon potenziell lebensbedrohlich. Lina E. soll zum Zeitpunkt der Taten die Verlobte des jetzt beschuldigten Johann G. gewesen sein. Er saß damals nicht mit auf der Anklagebank, weil er untergetaucht war. Im Verfahren am OLG tauchte sein Name aber häufig auf.

Bundesweite Suche nach Johann G.

Im November 2024 wurde Johann G. von Beamten des Landeskriminalamts Sachsen in einem Regionalzug nahe Weimar festgenommen. Die Fahnder:innen sollen dem damals 31-Jährigen schon eine Weile auf der Spur gewesen sein. Er war spätestens seit Sommer 2020 untergetaucht. Die Sicherheitsbehörden hatten bundesweit nach ihm gefahndet, etwa mit Plakaten an Bahnhöfen. Für entscheidende Hinweise, die zu seiner Festnahme führen würden, hatten die Behörden eine Belohnung von 10.000 Euro ausgelobt.

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft soll Johann G. innerhalb der Gruppe von Lina E. "eine herausgehobene Stellung" eingenommen haben. Ihm wird auch vorgeworfen, im Februar 2023 in der ungarischen Hauptstadt Budapest mit Kompliz:innen Menschen angegriffen zu haben, die aus Sicht der Angreifer:innen dem rechten Spektrum zuzuordnen waren. Auch dabei soll es Verletzte gegeben haben. In Budapest kommen jedes Jahr im Februar Rechtsextreme aus ganz Europa zum sogenannten "Tag der Ehre" zusammen.


70 Verhandlungstage geplant

Ursprünglich sollte der Prozess im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Dresden schon am 4. November beginnen. Da der Vorsitzende Richter den Vorsitz im 4. Strafsenat des OLG aber erst am 13. Oktober übernahm, benötigte er mehr Zeit, um sich in das umfangreiche Verfahren einzuarbeiten, teilte das OLG mit. Für das Verfahren sind rund 70 Verhandlungstage zunächst bis Juli 2026 vorgesehen, weitere Termine sind bis Ende Juli 2027 bestimmt.

Applaus für Lina E. im Gericht

Für die Verhandlung gelten verschärfte Einlasskontrollen und Sicherheitsauflagen. Im Sitzungssaal stehen insgesamt 152 Plätze zur Verfügung - 50 davon sind für Medienvertreter:innen reserviert.

Beim Verfahren gegen Lina E. hatten jedes Mal viele Zuschauer:innen aus der linken Szene Platz genommen. Sie applaudierten regelmäßig, wenn Lina E. in den Saal geführt wurde. Ähnliche Solidaritätsbekundungen dürften auch im Fall von Johann G. eine Rolle spielen.

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