Nahost-Reise des Kanzlers

Merz: Keine Anerkennung eines Staates Palästina in absehbarer Zeit

Veröffentlicht:

von dpa

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Merz spricht von "Dilemmata" in Israel

Videoclip • 01:09 Min • Ab 12


Bei seinem Antrittsbesuch in Israel hat Bundeskanzler Merz die abwartende Haltung Deutschlands in Bezug auf die Anerkennung eines palästinensischen Staates bekräftigt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bundeskanzler bleibt dabei, dass Deutschland "in absehbarer Zeit" keinen palästinensichen Staat anerkennen wird.

  • Einem solchen Staat fehlten bis jetzt alle Voraussetzungen dafür, überhaupt ein selbstständiger Staat sein zu können, sagte Merz in Israel.

  • Beim Antrittsbesuch des Kanzlers in Israel geht es um die Stabilisierung des Waffenstillstands im Gazastreifen, die deutsch-Israelischen Beziehungen und Rüstungskooperation.

Bundeskanzler Friedrich Merz sieht in "absehbarer Zukunft" keine Voraussetzungen für die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Deutschland. Das sagte der CDU-Politiker nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Es gehe zunächst darum, Schritt für Schritt den Friedensplan zu implementieren.

"Was an dessen Ende steht, weiß heute von uns niemand. Und weil das so ist, hat auch die Bundesregierung anders als andere europäische Staaten von einer frühzeitigen Anerkennung eines palästinensischen Staates Abstand genommen. Wir werden das auch in absehbarer Zukunft nicht tun", sagte Merz. Einem solchen Staat fehlten bis jetzt alle Voraussetzungen dafür, überhaupt ein selbstständiger Staat sein zu können.

Großbritannien, Frankreich, Kanada und viele andere Staaten haben die palästinensischen Gebiete als Staat anerkannt. Dies hat vor allem symbolischen Charakter.


Merz trifft Netanjahu und Herzog in Israel

Zum Auftakt seines ersten Israel-Besuchs als Bundeskanzler hat Friedrich Merz die besondere Verantwortung Deutschlands für das Existenzrecht des jüdischen Staats bekräftigt. "Wir werden immer an der Seite dieses Landes stehen", sagte er bei einem Treffen mit dem israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog in Jerusalem. "Ich weiß um die Verpflichtung, die jeder Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in diesem Land hat."

Es bleibe für ihn persönlich ein Wunder, dass nach den Verbrechen des Holocaust die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel bis heute so aufgebaut und vertieft werden konnte. Die deutsche Solidarität mit Israel gelte nun insbesondere auch "nach dem schrecklichen Massaker" der Hamas am 7. Oktober 2023.

Kanzler: "Dilemmata" in den Beziehungen seit Gaza-Krieg

Merz betonte aber auch, dass er zu einer Zeit nach Israel komme, die "komplizierter kaum sein könnte". Das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Krieg habe Deutschland "vor einige Dilemmata gestellt". Auf die habe man reagiert, sagte er offenbar auch mit Blick auf die vorübergehende Einschränkung von Rüstungsexporten nach Israel, die inzwischen wieder zurückgenommen wurde.

Der Kanzler betonte aber, "dass wir bis heute im Grundsatz keinerlei Differenzen haben." Israel habe das Recht, sich selbst zu verteidigen, es sei die Hamas gewesen, die den Krieg begonnen habe. Wenn sie ihre Waffen niederlege, sei der Krieg beendet. "Dann gibt es eine Zukunft für die Region, gibt es eine Zukunft auch für Gaza." Er bekräftigte das Ziel einer Zweistaatenlösung in Nahost. Damit ist gemeint, dass Israel und ein unabhängiger Palästinenserstaat friedlich Seite an Seite existieren.

In das Gästebuch im Präsidentenamt in Jerusalem schrieb Merz: "Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel ist ein großer Schatz." Acht Jahrzehnte nach der Schoah bleibe es "unsere Verantwortung, das Band zwischen unseren Ländern von Generation zu Generation neu zu stärken". Merz schrieb weiter: "Aus tiefer Überzeugung bin ich bereit, gemeinsam mit Ihnen meinen Teil zu dieser Verantwortung zu leisten." Für die enge Verbundenheit mit Präsident Herzog sei er "zutiefst dankbar".

Rüstungskooperation ebenfalls Thema bei Merz' Antrittsbesuch

Beim Gespräch mit Netanjahu dürften neben dem Nahost-Friedensprozess auch die zuletzt turbulenten deutsch-israelischen Beziehungen eine größere Rolle in den Gesprächen in Jerusalem spielen. Das Teil-Embargo für die deutschen Rüstungsexporte hatte die deutsch-israelischen Beziehungen zuletzt schwer belastet. Am 8. August hatte Merz angeordnet, dass vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern nach Israel mehr genehmigt werden, die im Gaza-Krieg verwendet werden können.

Nun hofft Israel wieder auf verstärkte Rüstungslieferungen aus Deutschland - unter anderem auf Getriebe für seine Merkava-Panzer. Andererseits profitiert Deutschland von israelischen Rüstungsgütern wie Arrow 3.

Die vielleicht schwierigste Frage für Merz wird sein, ob Netanjahu trotz eines internationalen Haftbefehls in Deutschland willkommen wäre. Noch kurz nach seinem Amtsantritt hatte der Kanzler seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, ihm einen Besuch zu ermöglichen. "Grundsätzlich muss ein israelischer Premierminister nach Deutschland reisen können", sagte er Mitte Mai. "Er ist ein demokratisch gewählter Ministerpräsident der einzigen Demokratie der gesamten Region. Dieser Ministerpräsident muss grundsätzlich nach Deutschland reisen können. Wie wir das ermöglichen, wenn es denn geplant werden sollte, darüber werden wir Sie dann rechtzeitig informieren."

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