Mitgliederbegehren

"Keine Politik mittragen, die Armut bestraft": SPD-Basis stellt sich gegen Bürgergeld-Reform

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von Jana Wejkum

Unter anderem Juso-Bundesvorsitzender Philipp Türmer soll das Mitgliederbegehren unterzeichnet haben. (Archivbild)

Bild: Michael Kappeler/dpa


Teile der SPD-Basis sind nicht mit der stark gekürzten Grundsicherung einverstanden. Diese drei Forderungen umfasst das Mitgliederbegehren.

Es regt sich Widerstand gegen die Reformpläne der schwarz-roten Koalition. Diesmal ist der Unmut hausgemacht: Teile der SPD-Basis sollen laut Medienberichten ein Mitgliederbegehren gegen die Bürgergeld-Reform verfasst haben.

Laut "Spiegel" dürfe die SPD "keine Politik mittragen, die Armut bestraft", so der Wortlaut des Begehrens. "Wir, engagierte Mitglieder der SPD, erheben unsere Stimme gegen die aktuellen und geplanten Verschärfungen im Bereich des SGB II (Bürgergeld)."

Bislang gehören neben Juso-Chef Philipp Türmer auch die SPD-Europaabgeordneten Maria Noichl und Aziz Bozkurt, dem Vorsitzenden der AG Migration und Vielfalt in der SPD, zu den Unterzeichner:innen.

Ursachenbekämpfung statt Symbolpolitik

Wie der BR berichtet, stünden drei Forderungen im Zentrum des Mitgliederbegehrens:

  • keine Verschärfung der Bürgergeld-Sanktionen

  • mehr Hilfeleistungen für Betroffene

  • stärkere Bekämpfung populistischer Narrative durch die SPD

Dazu gehöre, sich in der Diskussion auf die Ursachen von Armut zu konzentrieren, statt auf Symbolpolitik zu setzen. Es solle keinen Sozialabbau geben, sondern der Sozialstaat solle modernisiert und dessen Effizienz gesteigert werden.

Keine weitere "Agenda 2010"

Anfang Oktober hatte sich der Koalitionsausschuss der schwarz-roten Bundesregierung darauf geeinigt, Bürgergeldempfänger:innen härter zu sanktionieren. Versäumen diese einen Termin beim Jobcenter zum zweiten Mal, könnte ihnen demnach das Bürgergeld um 30 Prozent gekürzt werden - beim dritten Versäumnis wäre eine Komplettstreichung möglich.

Die Initiator:innen des Mitgliederbegehrens wollen laut Medienberichten verhindern, dass es zu erneuten Verschärfungen wie unter Schröders "Agenda 2010" kommt. Deren Kern waren im Jahr 2005 die sogenannten "Hartz-Reformen". Unter dem Motto "Fördern und Fordern" sollten Arbeitslose mithilfe niedriger Grundsicherung zur schnelleren Annahme von Jobangeboten gebracht werden. Kritiker:innen werfen der "Agenda 2010" vor, den Niedriglohnsektor gestärkt zu haben.

Die SPD-geführte Bundesregierung unter Olaf Scholz hatte erst vor zwei Jahren die Regeln für Langzeitarbeitslose und Bedürftige teilweise gelockert.

Sollte das Begehren von mehr als einem Prozent der SPD-Mitglieder unterschrieben werden, gilt es als offiziell eingeleitet. Als Beschluss umgesetzt werden müsste es, wenn innerhalb von drei Monaten mindestens ein Fünftel der SPD-Mitglieder unterschreibt.

Bürgergeld-Reform: Mehr Schaden als Nutzen?

Inwiefern die Pläne der Bundesregierung hin zu einer neuen Grundsicherung zielführend und ethisch vertretbar sind, wird seit Anfang Oktober hitzig debattiert. So bezeichnete der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, die Reform laut "Tagesschau" als "ein populistisches Ablenkungsmanöver".

Verdi-Gewerkschafts-Chef Frank Werneke zufolge würde "die sogenannte neue Grundsicherung mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen", erklärt er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Nach Recherchen des RND würde die Reform 2026 vergleichsweise geringe Einsparungen von 86 Millionen Euro und 2027 etwa 69 Millionen Euro ermöglichen. Bundeskanzler Friedrich Merz hingegen verteidigte seine Pläne und behauptete: "Es wird in Deutschland niemand obdachlos."


Verwendete Quellen:

Spiegel: "SPD-Basis wendet sich gegen geplante Reform beim Bürgergeld"

BR: "Mitgliederbegehren gegen Bürgergeld-Reform von Teilen der SPD"

RND: "Neue Details zur Bürgergeldreform: Niedrigere Schonvermögen, härtere Sanktionen, kaum Einsparungen"

Tagesschau: "Eine Reform mit Wirkungen und Nebenwirkungen"

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