ZDF-Talkshow

Hamas-Geisel schildert bei Lanz Leidenszeit: "Zehn Terroristen stürmten unser Haus"

Veröffentlicht:

von Hellmuth Blumenthal

Er war 491 Tage lang Geisel der Hamas. Seine Frau und seine zwei Töchter wurden ermordet. Dennoch wirbt Eli Sharabi für Menschlichkeit.

Bild: ZDF / Cornelia Lehmann


Eli Sharabi, 491 Tage in der Gewalt der Hamas, erzählte am Mittwochabend bei Markus Lanz von seinen schrecklichen Erlebnissen. Seinen Lebensmut konnten ihm die Terroristen aber nicht nehmen.

"491 Tage" - So lautet der Titel des Buches von Eli Sharabi. So lange war der Israeli nach dem 7. Oktober 2023 in der Gewalt der Hamas. Es ist die erste umfangreiche Erzählung von dem schrecklichen Überfall, der fast 700 Zivilist:innen das Leben kostete.

Von seinem Martyrium erzählte der Sohn eines Jemeniten und einer Marokkanerin auch in der Mittwochsausgabe (26. November) von "Markus Lanz". Sichtlich bewegt lauschten der Gastgeber und die ebenfalls anwesende Journalistin Katrin Eigendorf seinen Erzählungen.


Frau und Kinder wurden ermordet

Der schicksalshafte Tag im Kibbuz Beeri begann um 6:29 mit dem Ertönen der Alarmsirene. Mit seiner Frau Lianne, einer gebürtigen Britin, und seinen Töchtern Noiya und Yahel, geboren 2007 beziehungsweise 2010, begab sich der heute 53-Jährige in den Schutzraum seines Hauses. "Wir dachten, dass in einer halben Stunde alles wieder vorbei sei", erinnert sich Sharabi. Doch ab circa Viertel vor Elf war alles anders: "Zehn Terroristen stürmten unser Haus".

Der Familienvater wurde verschleppt, nicht ahnend, dass er seine Liebsten nie wiedersehen würde. "Ich sagte meinen Töchtern: 'Ich bin bald wieder zurück.'" Dass Lianne, Noiya und Yahel kurz darauf ermordet wurden, erfuhr er erst 16 Monate später nach seiner Freilassung.

Täglich Gewalt und Erniedrigung

16 Monate lang hatte er Ketten an den Füßen. Fast 450 Tage verbrachte er mit anderen Geiseln im unterirdischen Tunnelsystem der Hamas. "40 bis 50 Meter unter der Erde" habe er sich befunden, so Sharabi. Kein Tageslicht, stattdessen Würmer, Ratten, Kakerlaken. Essen? Eine karge Mahlzeit am Tag. Mehr als 30 Kilogramm hat er in der Zeit verloren. Gewalt war an der Tagesordnung, schlimmer waren die Erniedrigungen, erzählte Sharabi. "Für alles, was man braucht, mussten wir betteln", nicht nur um Essen. Waschen konnten sie sich "alle sechs Wochen mit einem halben Eimer kaltem Wasser."

Er habe früh angefangen, dem inneren Wahnsinn die Stirn zu bieten. Stets habe er durch Nachfragen herausgefunden, welcher Tag gerade war. "Man redet mit sich selbst." Mit den anderen Gefangenen entwickelte er Routinen: Training, intensive Gespräche, Gebete. Die Gruppe ließ sich auch durch Psycho-Tricks der Terroristen nicht entzweien. "Sie haben es versucht, indem sie nur einem von uns was zu essen gaben." Derjenige habe das Angebot stets freundlich abgelehnt. "Das waren für uns kleine Siege." Kleine Erfolge gegen das Verrücktwerden.

Eigendorf: "Das war ein vorbereitetes System"

Seine Freilassung am 8. Februar 2025 war eine letzte Erniedrigung. Jeder Schritt, jede Antwort, die er geben musste, sei einstudiert gewesen.

Ausmaße und Struktur der unterirdischen Tunnel haben im Übrigen auch die ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf verblüfft, wie sie bei Markus Lanz gestand. Ihr sei klar geworden, dass der Angriff der Hamas am 7. Oktober von langer Hand geplant gewesen sein muss. "Das war ein vorbereitetes System", so die Journalistin.


"Der schlimmste Überfall auf die Juden seit dem Holocaust"

Der Terroranschlag vor gut zwei Jahren habe das Land schwer traumatisiert, so die Kriegsberichterstatterin Katrin Eigendorf. Sie war auch schon in der Ukraine und in Afghanistan. Ihr Besuch des Kibbuz Beeri kurz nach dem 7. Oktober hat sie jedoch nachhaltig getroffen. "Der ganze Kibbuz stank bestialisch nach Leichen", erinnert sie sich bei Markus Lanz. Man müsse sich klarmachen: Dieser Tag "war der schlimmste Überfall auf die Juden seit dem Holocaust".

Derweil hat sich Eli Sharabi nicht einmal von der schrecklichen Gewissheit um seine Familie in seinem Lebensmut erschüttern lassen. Es sei niederschmetternd gewesen, als er die Nachricht von ihrem Tod bekommen hatte. Aber: "Ich habe immer die Wahl, wie ich auf Sachen reagiere." Es habe nicht das Privileg, den ganzen Tag im Bett zu bleiben und zu heulen, "denn meine Familie, meine Freunde, ganz Israel hat für mich gekämpft. Er bevorzuge es, weiterzugehen, optimistisch zu bleiben.

Der ganze Kibbuz stank bestialisch nach Leichen

Katrin Eigendorf

Eli Sharabi möchte nicht in die Politik

Den Gedanken von Katrin Eigendorf, dass er mit seinem Umgang mit dem 7. Oktober in Israel ein politischer Hoffnungsträger sei, wischte Eli Sharabi aber dann doch vehement zur Seite. "Auf keinen Fall!", sagte er auf die Frage von Markus Lanz, ob er sich ein politisches Amt vorstellen könne. "Wenn Sie mich mögen, dann wünschen Sie mir das nicht."

Mehr entdecken