Evangelische Kirche

EKD: Missbrauchsopfer fordern schnellere Aufarbeitung

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von dpa

Betroffene fordern auch bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EDK) in Dresden mehr Tempo bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. (Archivbild)

Bild: Julian Stratenschulte/dpa


Auch in der evangelischen Kirche ist sexueller Missbrauch ein Problem. Opfer leiden häufig unter dauerhaften psychischen Schäden.

Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie fordern eine zügige und angemessene Aufarbeitung und Anerkennung ihrer Leidensgeschichte. "Sexualisierte Gewalt und Missbrauch sind schwerste Verbrechen. Kein Geld, keine Summe, keine Richtlinie kann wiedergutmachen, was Menschen angetan wurde", sagte Nancy Janz, Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der Kirche, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Eine angemessene Anerkennung könne jedoch etwas lindern. "Sie kann ein Stück Würde zurückgeben, weil sie ausdrückt: Wir sehen, was geschehen ist. Wir übernehmen Verantwortung. Das erwarten wir von Kirchen und Diakonien."

Betroffene für "echte Verantwortung"

"Beteiligung darf kein Feigenblatt sein, sondern braucht echte Verantwortung, klare Entscheidungen und ein ernsthaftes Engagement der Verantwortlichen in Kirche und Diakonie", lautet die Botschaft von Janz. Das Thema "Macht und Kirche" ist Schwerpunkt bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in den kommenden Tagen in Dresden. Die Vertretung Betroffener pocht dabei auf die Umsetzung der Anerkennungsrichtlinie, die von der EKD im März dieses Jahres beschlossen wurde.

Die Richtlinie soll für einheitliche Standards bei der Anerkennung sorgen. "Wir legen mit der neuen Richtlinie die Grundlage, um endlich den nicht hinnehmbaren Zustand zu beenden, dass Anerkennungsverfahren für ähnliche Taten in verschiedenen Landeskirchen zu verschiedenen Ergebnissen führen", hatte EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Kirsten Fehrs, damals gesagt.

Expertin warnt vor föderalen Einzelwegen

"Diese Richtlinie ist ein Meilenstein. Aber nur, wenn sie tatsächlich umgesetzt wird, und zwar einheitlich", sagte Janz und warnte davor, die Anerkennungsrichtlinie in föderalen Einzelwegen zerfallen zu lassen. "Dass jede Landeskirche, jeder Landesverband wieder eigene Grenzen zieht. Nichts wäre fataler. Einheitlichkeit ist hier keine Frage, sondern ein Muss."

"Macht, die sich nicht bewegt, ist Missbrauch", bringt es Janz auf den Punkt. Die Betroffenenvertretung werde auch als Alibi genutzt. Die nach außen betonte Beteiligung stoße innen immer wieder an Grenzen. "Wenn wir etwa um die Anerkennung unserer Expertise, Formulierungen, Sitzungszeiten oder Zuständigkeiten feilschen müssen", so Janz: "Wir brauchen kein Mitgefühl, sondern die Übernahme von Verantwortung. Sonst kommen wir nicht weiter."

Wir brauchen kein Mitgefühl, sondern die Übernahme von Verantwortung

Nancy Janz

Thema wird häufig delegiert

Janz: "Wir erwarten, dass die Menschen in den Machtpositionen in den Kirchen und den Diakonieverbänden ins Handeln kommen und das Thema nicht weiter an Gremien, Verfahren oder Fachstellen delegieren. Daran hakt es immer wieder." Das größere Engagement der Diakonie im Beteiligungsforum sei ein starkes Zeichen. "Wir hoffen sehr, dass die Chance daraus genutzt wird und das Gefeilsche um Formulierungen und Summen nicht noch größer wird."


Betroffene beklagen langsame Aufarbeitung

Laut Janz geht der Prozess bisher eher im Schneckentempo voran. Betroffene Menschen müssten aber endlich spüren, dass es zu Veränderungen kommt, die nicht nur auf dem Papier stehen. "Das dauert alles viel zu lange. Der Verweis auf ein bürokratisches System mit vielen Gremien hilft uns nicht. Letztlich hat die Evangelische Kirche bei diesem Problem einfach viel zu spät angefangen."

Janz zufolge lässt sich die Zahl der Betroffenen nur schwer abschätzen. "Wir haben keine Dunkelfeldstudie." In einer Studie hätten vier Prozent der Befragten angegeben, sexualisierte Gewalt auch in religiösen Gemeinschaften erlebt zu haben.

Experten befürchten hohe Dunkelziffer

Die 2024 vorgestellte Forum-Studie dokumentierte mindestens 1.259 beschuldigte Mitarbeitende und 2.225 betroffene Kinder und Jugendliche. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Während für eine ähnliche Studie zu Missbrauch in der katholischen Kirche rund 38.000 Personalakten von Geistlichen geprüft wurden, waren es für die evangelische Kirche und Diakonie nur 5.000 bis 6.000 vorwiegend Disziplinarakten.

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