Dramatische Lage
Sudan-Resolution: Die Welt schaut dem Leid in Al-Faschir ohnmächtig zu
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von dpaWer Glück hatte, konnte aus Al-Faschir noch rechtzeitig fliehen. (Archivbild)
Bild: Mohammed Abaker/AP/dpa
Mit einer im UN-Menschenrechtsrat verabschiedeten Resolution verurteilt die Weltgemeinschaft die Massaker in Al-Faschir. Doch für die Sudanes:innen in der Region können die Vereinten Nationen nichts bewirken.
Das Wichtigste in Kürze
Die UN hat die Massaker in der sudanesischen Stadt Al-Faschir in einer Resolution im Menschenrechtsrat verurteilt.
Doch rund 260.000 Menschen sind nach wie vor ohne Nahrung und medizinische Versorgung in der Stadt eingeschlossen.
Die Paramiliz RSF blockiert Fluchtwege für die Bevölkerung, die Vereinten Nationen sind machtlos.
Die Weltgemeinschaft ist einig in der Verurteilung der Gewalt in der sudanesischen Großstadt Al-Faschir. Beenden kann sie das Gemetzel, über das Geflohene berichten, nicht.
Bei der Dringlichkeitssitzung im UN-Menschenrechtsrat verabschiedete sie eine Resolution, die das Geschehen verurteilt und eine Untersuchung der Vorgänge in Auftrag gibt. Verurteilt wurden zudem "alle Formen externer Einmischung, die den Konflikt schüren".
Warum ist die Lage in Al-Faschir so katastrophal?
Nachdem Al-Faschir rund eineinhalb Jahre von den RSF belagert und heftig umkämpft wurde, ist die Großstadt Ende Oktober von der Miliz eingenommen worden. Seitdem sind Expert:innen zufolge rund 260.000 Menschen ohne Nahrung und medizinische Versorgung in der Stadt eingeschlossen. Die RSF blockiert Fluchtwege. Die weltweit als Autorität für Ernährungssicherheit anerkannte Initiative IPC (Integrated Food Security Phase Classification) spricht von einer Hungersnot in Al-Faschir.
"Auf den Straßen sind viele Leichen, Tote überall, und viele Kinder, die ihre Familien verloren haben" berichtete Amira, die es mit ihrem Kind auf dem Rücken in die Nachbarstadt Tawila schaffte, dem UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA).
Warum helfen die UN den Menschen in Al-Faschir nicht?
Die UN haben keinen Zugang zur Stadt. "Seit Juli verlangen wir eine humanitäre Waffenruhe in Al-Faschir, damit unsere lebensrettenden Konvois mit Lebensmitteln und Medikamenten sicher zu den Bedürftigen gelangen können. Wir wurden von der RSF blockiert", sagt der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher, der gerade in Darfur unterwegs ist. Die UN haben keine Truppen, die den Weg für humanitäre UN-Hilfe in Konfliktgebiete freikämpfen können.
"Lebensrettende Hilfsgüter stehen bereit", sagt ein Sprecher von Fletchers Büro. "Wir brauchen aber Garantien, dass wir die Hilfsgüter sicher verteilen können." Die UN sind in Tawila, rund 60 Kilometer südwestlich von Al-Faschir. Dort sind viele der mehr als 80.000 Menschen, die seit Ende Oktober aus Al-Faschir geflohen sind, angekommen.
Worum geht es bei den Kämpfen in Darfur?
In Darfur ist der Konflikt maßgeblich von ethnischen Faktoren geprägt, die eng mit Fragen von Landrechten, Ressourcenverteilung und politischer Marginalisierung verwoben sind. Dabei geht es vor allem um Konkurrenz um Land und Wasser zwischen sesshaften, nicht arabischen Volksgruppen und traditionell nomadischen, arabischen Gruppen.
Die RSF ist eine Nachfolgeorganisation arabischer Milizen und geht Berichten von UN-Vertretern zufolge gezielt gegen den nicht-arabischen Teil der Bevölkerung vor. Das Sudanesische Ärztenetzwerk wirft den RSF "Völkermord" vor. Auch der Sudan-Gesandte des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Sheldon Yett, vergleicht die Lage im Sudan mit dem Genozid in Ruanda in den 1990er-Jahren.
Wie ist die Lage im Rest des Landes?
Die Lage gilt als die aktuell größte humanitäre Krise der Welt. Mehr als zwölf Millionen Menschen sind auf der Flucht. Etwa 26 Millionen Menschen, gut die Hälfte der Bevölkerung, sind von Hunger bedroht. Nach einer von den USA zitierten Schätzung könnten seit Ausbruch des Konflikts im April 2023 bis zu 150.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Hauptstadt Khartum hatte die Armee im Frühjahr 2025 zurückerobert. Beiden Seiten des Konflikts werden Kriegsverbrechen und schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, was die Armee sowie die RSF bestreiten.
Was kann der UN-Menschenrechtsrat ausrichten?
Anprangern und moralischen Druck erhöhen, mehr ist kaum möglich. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat die Gewaltexzesse in Al-Faschir und anderen Regionen des Sudan mehrfach verurteilt. Er spricht von "abscheulichen Gräueltaten, summarischen Hinrichtungen, Vergewaltigungen und ethnisch motivierter Gewalt". Er verurteilt Staaten, die Waffen an die RSF liefern, aber mangels eindeutiger Beweise nennt er keine beim Namen. Konfliktforscher machen unter anderen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) für Waffenlieferungen an die RSF verantwortlich.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eröffnet die Sondersitzung "die Möglichkeit, ein Schlaglicht auf die Missbräuche zu werfen, Schritte einzuläuten, um Täter zur Rechenschaft zu ziehen, und den Druck auf die RSF und ihre Unterstützer zu erhöhen."
Wieso nimmt der Konflikt kein Ende?
Aktuell versuchen Vermittler aus den USA, den VAE, Saudi-Arabien und Ägypten eine dreimonatige Waffenruhe auszuhandeln. Zugleich werde nach Angaben des Beraters der US-Regierung für Afrika, Massad Boulos, über eine neunmonatige Verhandlungsphase beraten. Anfang November hatte die RSF einer Waffenruhe zugestimmt. Eine Einwilligung der Armee steht aber noch aus, wohl auch, weil die VAE zu den Vermittlern gehören.
Wie kam es zu dem Konflikt?
Die RSF hatte im April 2023 mit Angriffen gegen Militär und Zivilist:innen begonnen, weil sie sich dagegen sperrte, in die Armee eingegliedert zu werden. Daraus folgte ein brutaler Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel-Fattah al-Burhan und seinem einstigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die RSF kommandiert. Mittlerweile hat die Miliz die westliche Region Darfur fast vollständig erobert und kontrolliert auch Teile der Nachbarregion Kordofan. Anfang des Jahres gründeten die RSF formell eine Parallelregierung für die von ihnen kontrollierten Gebiete.
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