"Maybrit Illner"
Auf "Zuckerpolitik" folgt Peitsche: Diplomat feiert bei "Illner" US-Sanktionen gegen Russland
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von Doris NeubauerDiplomat Andrij Melnyk war aus einem Auto in New York zugeschaltet und freute sich über die "Peitschen"-Politik von US-Präsident Donald Trump gegenüber Russland.
Bild: ZDF/Jule Roehr
Erste direkte Sanktionen gegen Russland: Die anfängliche Freude über die neu gewonnenen Chancen für die Ukraine wich bei "Maybrit Illner" einer gewissen Ernüchterung.
Bei "Maybrit Illner" (ZDF) wurden am Donnerstag (23. Oktober) reihum die "gewaltigen Maßnahmen" gefeiert: Die EU-Staaten hatten am Vortag ihr 19. Sanktionspaket beschlossen, nahezu zeitgleich hatte US-Präsident Donald Trump erstmals in seiner zweiten Amtszeit Sanktionen direkt gegen Russland verhängt, die auf 80 Prozent des russischen Ölexportes und 25 Prozent der Staatseinnahmen abzielen. "Zum ersten Mal kommt der Westen mit diesen Entscheidungen aus dem Reaktionsmodus in einen Aktionsmodus hinein, um selber das Handeln zu bestimmen", ordnete CDU-Politiker Norbert Röttgen ein.
"Wir sehen endlich, dass US-Präsident Trump und die Amerikaner nicht nur Zuckerpolitik-Politik betreiben, sondern endlich - nach langem Warten - auch die Peitsche herausgeholt haben", war der ukrainische Top-Diplomat Andrij Melnyk begeistert. Er musste angesichts des heftigen New Yorker Verkehrs aus einem Auto ins Studio zugeschaltet werden.
Nur auf die USA verlassen wollte er sich aber nicht: Die Europäer müssten "in die Pflicht genommen werden, ein eigenes Konzept und einen Vorschlag auf den Tisch zu legen und nicht nur zu schauen, wie die Achterbahn der Emotionen zwischen Russland und den USA abläuft", gab Melnyk zu bedenken. Erst mit einer starken eigenen Position könnte die EU das Spiel aufmischen und die Initiative zurückgewinnen.
Norbert Röttgen redet sich in Rage
Diese Ansicht teilte auch Straftrechtsexperte Reinhard Merkel. Er hatte zuvor bereits kritisiert, dass es seitens der EU kein praktikables Modell für eine Friedenslösung gäbe. "Die Rede ist immer, Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen", meinte er, "aber was wird man da von ihm verlangen?" Die maximalen Forderungen der EU etwa zur Wiederherstellung des Völkerrechts führen zu keiner Verhandlung. Vielmehr müsse man Vorschläge machen: "Warum nicht annektierte Gebiete in staatliche Unabhängigkeit entlassen?", nannte er beispielhaft ein Model, das er mit zwei Hamburger Kollegen ausgearbeitet hatte.
"Den Fehler, von dem ich glaube, dass Sie ihn machen: Sie stellen sich Putin vor als wäre er einer von uns, der unser Denken im Wesentlichen teilt, vielleicht unterschiedliche Meinungen hat", bezeichnete Röttgen diese Idee als unrealistisch. "Putin hat in diesem Jahr 100.000 tote russische Soldaten zu verantworten, das beeindruckt ihn null Komma null - das zählt für ihn nicht." Das hätte unlängst eine Drohnenattacke auf einen Kindergarten gezeigt. Es sei kein Krieg gegen Soldaten, sondern ein Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung, redete sich Röttgen sich in Rage. "Ich messe Putin nur an seinen Tagen und kann nicht verstehen, wie einem menschliches Leben vollkommen egal ist gemessen an der historischen Mission, die er erfüllt", empörte er sich: "Das ist die Realität. Modelle ausmalen, das ist nicht das Problem. Aber der Wille ist das Problem."
Grünen-Politikerin zur "Reparationsanleihe": "Der politische Wille ist da"
Dass in einer anderen Sache hingegen der politische Wille gegeben sei, das versicherte Grünen-Europapolitikerin Hannah Neumann. Es ging um die geplante "Reparationsanleihen" in Höhe von 140 Milliarden Euro auf eingefrorenes russisches Staatsvermögen. Diese war zwar auf dem Herbstgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nicht beschlossen worden. "Es gab aber von allen 26 Staaten die sehr deutliche politische Willenserklärung", gab sie sich optimistisch: "Es geht nur um die Details der technischen Ausgestaltungen."
Genau die müssen im Dezember beschlossen werden, drängte auch Norbert Röttgen von der CDU. "Wenn sie nicht käme, hätten wir in Europa und der Ukraine im Hinblick auf die Verhandlungen und einen Frieden ein großes Problem", warnte er.
Er hoffe auf "kreative Lösungen", meinte auch Melnyk: "Wenn wir darauf schauen, dass alle Schlupflöcher gestopft sind und wir den globalen Süden in die Pflicht nehmen", setzte er auf die neue Politik aus Washington und Europa. "Wir müssen viel auf diese Karte setzen und alle Quellen austrocknen lassen." Dann könnte man auch den Krieg bald beenden, so der Ukrainer.
Frederik Pleitgen, Auslandskorrespondent beim US-Nachrichtensender CNN, hatte genau daran noch so seine Zweifel. In Russland gebe es noch sehr viel Zustimmung für den Krieg und auch die Sanktionen würden nicht als langfristige Bedrohung wahrgenommen. Es gebe natürlich auch in Russland Grenzen des Ertragbaren, "aber meines Erachtens sind die noch lange nicht erreicht", fiel sein Fazit ernüchternd aus.
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