Bilanz 2025
Weniger Lebensmittelspenden – Tafeln in Deutschland besorgt
Veröffentlicht:
von dpaDie Tafeln in Hamburg und Schleswig-Holstein blicken auf ein schwieriges Jahr zurück.
Bild: Carsten Koall/dpa
Die Hamburger Tafel verzeichnet bis zu 30 Prozent weniger Waren aus Supermärkten, die Tafel Kiel hat einen Aufnahmestopp für Neukunden. 2025 war ein schwieriges Jahr für die Hilfsorganisationen.
Die Tafeln in Hamburg und Schleswig-Holstein blicken auf ein schwieriges Jahr zurück. "2025 beobachten wir bei den Lebensmittelspenden aus den Supermärkten einen Rückgang der Warenmenge um bis zu etwa 30 Prozent", teilte die Hamburger Tafel auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Auch in Schleswig-Holstein wird beobachtet, dass die reine Anzahl der Spenden sinkt. So besteht bei der Tafel Kiel "ein Aufnahmestopp für Neukunden, da die Ware für weitere Abnehmer nicht ausreichen würde", sagte Frank Hildebrandt, der Vorsitzende des Landesverbands der Tafel Hamburg/Schleswig-Holstein.
Lieferkettenoptimierung und Kommerzialisierung als Probleme
Gründe für den Rückgang der Spenden seien zum einen in der Lieferkettenoptimierung, zum anderen in der Kommerzialisierung von Restposten zu sehen. "Supermärkte können mittlerweile besser vorhersehen, was wirklich verkauft wird und was liegen bleiben würde", hieß es bei der Hamburger Tafel. Frank Hildebrandt, der auch Vorsitzender der Tafel Kiel ist, sagte: "Es ist eine Folge zunehmender Digitalisierung im Handel, dass bedarfsgerechter produziert und geordert werden kann - es bleibt weniger übrig, das an noch verwertbaren Lebensmitteln abgegeben werden kann."
Bei der Hilfsorganisation wird versucht, das Defizit bei Lebensmittelspenden aus Supermärkten auszugleichen, "indem wir unsere Spendenakquise auf die Lebensmittelindustrie, also die Hersteller und die größeren Logistiker, erweitert haben", hieß es in der Mitteilung der Hamburger Tafel. "Durch die Spenden, die wir dort erhalten, konnten wir unser Angebot für die finanziell schwächer gestellten Menschen in Hamburg sogar leicht ausbauen und erhöhen."
Hamburger Tafel erreicht 40.000 Menschen - Tendenz steigend
Weder in Hamburg noch in Schleswig-Holstein gibt es exakte Zahlen darüber, wie viele Lebensmittel im vergangenen Jahr ausgegeben worden sind. Die Hamburger Tafel verfügt über 30 große Standorte im Stadtgebiet nördlich der Elbe und arbeitet mit 65 Partnerorganisationen zusammen. Der Landesverband der Tafel Hamburg/Schleswig-Holstein hat insgesamt 61 Ausgabestellen.
Deutschlandweit sind in diesem Jahr 265.000 Tonnen Lebensmittel "gerettet" worden. "Runtergerechnet sind das 500 Kilogramm Lebensmittel pro Minute. Das entspricht beispielsweise 500 Kartons Milch, die pro Minute gerettet werden und die sonst im Müll landen würden", teilte Tafel Deutschland mit.
Von der Hamburger Tafel werden nach eigenen Angaben etwa 40.000 Menschen "mit unserer Unterstützung erreicht. Allerdings in unterschiedlichem Umfang. Das geht von der fertig gekochten Mahlzeit in einer Obdachlosenküche bis zu einem umfangreichen "Einkauf" für eine mehrköpfige Familie." Die Tendenz sei steigend. Die Tafel Kiel unterstützt etwa 1.100 Haushalte. Frank Hildebrandt: "Zu Beginn des Monats, wenn es gerade Geld gegeben hat, gönnen sich viele von ihnen den "Luxus", einmal im Monat "normal" in einem Geschäft oder Supermarkt einzukaufen und nicht das nehmen zu müssen, was bei der Tafel gerade im Angebot ist."
Für das neue Jahr wünscht sich der Chef der Tafel Kiel "wieder mehr Lebensmittel, die wir an unsere Kunden ausgeben können". Die Hamburger Tafel kündigte an, im Jahr 2026 ihr Netzwerk zu erweitern und das Team zu vergrößern: "Hierfür kann man uns viel Glück wünschen, oder besser noch, uns direkt unterstützen."
200.000 Menschen wurden in Bremen und Niedersachsen versorgt
Die Nachfrage bei den Tafeln in Niedersachsen und Bremen ist ungebrochen groß - mit steigender Tendenz. "In Zukunft wird der Bedarf eher mehr als weniger sein", sagte Uwe Lampe, Vorsitzender des Landesverbandes der Tafeln. Bis zu 200.000 von Armut betroffene Menschen versorgen sich jährlich bei den Tafeln in Niedersachsen und Bremen mit Lebens-, Saison- und Hygieneartikeln.
Um die mehr als 100 Tafeln in den beiden Bundesländern mit überschüssiger Ware von Herstellern wie Wurst- oder Keksfabriken zu versorgen, nahmen 2024 Verteilzentren in Springe und in Börger ihre Arbeit auf. Anfang 2026 eröffnet der Verband ein drittes Verteilzentrum. Es ist in Bremen und beliefert 25 Tafeln in der Region Nordwest. "So können wir planvoll und organisiert mehr Ware annehmen und allen Tafeln ein gleich gutes Sortiment anbieten", betont Lampe.
Verteilzentren können Engpässe ausgleichen
Auch sei es möglich, mehr unverkäufliche Lebensmittel vor der Entsorgung zu bewahren. Die Artikel kommen sowohl von lokalen Lebensmittelmärkten als auch direkt von den Produzenten. Mithilfe der zwei neuen Logistikzentren der Tafel in der Region Hannover und im Emsland seien in den ersten neun Monaten dieses Jahres rund 1,8 Millionen Kilo Lebensmittel gerettet worden. "In den ersten drei Quartalen 2025 haben wir in den beiden Verteilzentren knapp 4.000 Paletten mit je rund 450 Kilogramm Lebensmitteln vor der Vernichtung bewahrt", sagte Uwe Lampe.
Die Verteilzentren seien zudem in der Lage, bei den Tafeln Engpässe in der Versorgung auszugleichen. In den ländlichen Gebieten sei die Lage meist schwieriger als in den Städten.
Land Niedersachsen unterstützt Aufbau der Logistikzentren
Das Land Niedersachsen unterstützt den Aufbau und den Betrieb der Logistikzentren in Springe und Börger von 2023 bis 2026 mit knapp zwei Millionen Euro. "Wir sind jetzt schon dabei, den Antrag auf Anschlussförderung vorzubereiten", so Lampe. Das Lager in Bremen-Hemelingen wird aus Rücklagen des Landesverbandes der Tafeln finanziert.
Durch die drei Verteilstellen soll es auch möglich werden, im großen Stil Ernteüberschüsse aus der Landwirtschaft anzunehmen - etwa bei einer Kartoffelüberproduktion. An dem Konzept werde gerade gearbeitet. "Wir können zwar keine losen Feldfrüchte annehmen", sagte Lampe, "aber Erzeugergenossenschaften können sie verpacken. Im Gegenzug bekommen sie dafür eine Spendenquittung von uns." Die Produzierenden hätten im besten Falle ein Interesse daran, dass die Ernte zum Menschen gelange und nicht in eine Biogasanlage. "In NRW haben wir schon Beispiele, dass das klappt", betonte Lampe.
Tafel entwickelt neue Modelle für Annahme von Waren
Auch versucht der Verband, Hersteller dazu zu bewegen, überschüssige Saisonartikel nicht für kleines Geld an darauf spezialisierte Aufkäufer zu geben, sondern die Tafeln zu favorisieren. "Für den Handel könnte es interessant sein, uns auch solche Waren gegen eine Spendenquittung zu überlassen."
:newstime verpasst? Hier aktuelle Folge ansehen
Mehr entdecken

Besonderes Ereignis
Große Feier: Tausende Menschen verfolgen Wintersonnenwende in Stonehenge

Blick auf Zukunft?
Automatisiertes Popcorn: Tesla zeigt Optimus-Roboter in Berlin

Für mehr Sicherheit
Özdemir ist offen für mehr KI-gestützte Überwachung

Abkehr vom Verbrenner-Aus
Verbrenner-Zukunft? Klingbeil warnt Autobauer: "Zukunft ist elektrisch"

Kriminalität
Mindestens neun Tote nach Schusswaffenangriff in Südafrika

Migration
Abgewiesen an der deutschen Grenze: Über 1.500 Menschen beantragten trotzdem Asyl


