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"Sehr zynisch": Grünen-Politikerin wird bei Maischberger nach Wadephul-Aussagen deutlich

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von Marko Schlichting

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hat bei Sandra Maischberger über die Stadtbild-Debatte um Friedrich Merz gesprochen.

Bild: WDR/Melanie Grande


Seit zwei Wochen diskutieren Medien und Politik über eine Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz. Der hatte das Bild vieler Städte kritisiert und auf die Gefahren hingewiesen, denen sich zum Beispiel Frauen in öffentlichen Verkehrsmitteln gegenübersehen. Zwei Politiker diskutieren am Dienstagabend bei Sandra Maischberger darüber. Sie haben das Problem zumindest erkannt. Ideen hat zunächst nur die Opposition.

Wenn es um politische Kommunikation geht, hat diese Bundesregierung offenbar noch einiges zu lernen. Davon konnte man sich in den letzten Tagen überzeugen. Das war geschehen: Während eines Besuchs in Syrien wurde Bundesaußenminister Johann Wadephul ein verwüsteter Vorort der Hauptstadt Damaskus gezeigt. Daraufhin erklärte er der Presse, es sei unmöglich, dass die Menschen dort in Würde leben könnten und sprach sich praktisch gegen die Abschiebung syrischer Flüchtlinge aus.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) widersprach kurz darauf: Der Bürgerkrieg in Syrien sei vorbei, Abschiebungen seien jetzt möglich. Kurz davor hatte Merz mit der Kritik an dem Bild deutscher Städte eine heftige Diskussion ausgelöst. Sogar Rassismus wurde ihm vorgeworfen. Fakt ist: In vielen deutschen Städten gibt es No-Go-Areas. Das Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg gehört dazu. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die hohe Zahl an Migranten ist einer davon, aber lange nicht der Einzige.

Ausreise von Syrern gefordert

Nun fordern Politiker vor allem aus der Union die Rückführung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge in ihre Heimat. Gut 900.000 von ihnen leben in Deutschland, knapp ein Drittel hat laut Bundesregierung eine Arbeit. Abgeschoben werden sollen jedoch nur straffällig gewordene Syrer, aktuell etwa 115.000. Das dürfte an dem von Merz kritisierten Stadtbild kaum etwas ändern. Am Dienstagabend hat Showmasterin Sandra Maischberger zwei Gäste eingeladen, die sich über dieses Thema streiten. Doch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann und der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer sind sich in einem Punkt einig: Es braucht mehr Polizisten.

Und die soll es jetzt auch bald geben, sagt Mayer. 100.000. Dafür gebe es das Geld im Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Nur: Ganz so einfach ist es nun doch nicht. Denn diese hunderttausend Polizisten müssen zuerst mal ausgebildet werden. Das dauert drei Jahre, gibt Mayer zu. Und Haßelmann bringt die Gewerkschaft der Polizei ins Spiel. Die fordert bis zu 400.000 neue Polizisten. Ein Teil von denen wäre da, sagt Haßelmann. Die würden jedoch gerade an den Grenzen eingesetzt, um Asylbewerber zurückzuweisen.


Kritik an der Bundesregierung

Überhaupt, die Bundesregierung. An der lässt Haßelmann an diesem Dienstag kein gutes Haar. Sie sagt: "So wie diese Regierung jetzt agiert, die Schwerpunkte, die sie setzt, und diese Führungslosigkeit des Kanzlers: Nach dieser Großspurigkeit von Friedrich Merz als Oppositionsführer habe ich den Streit in der Koalition so nicht erwartet."

Auch Mayer kritisiert die Kommunikation in der Bundesregierung. Vor allem während des Syrien-Besuchs von Außenminister Wadephul. Der sei beeindruckt gewesen von seinem Besuch in dem völlig zerstörten Vorort von Damaskus. "Aber Syrien ist ein sehr großes Land. Dort ist seit 2024 der Bürgerkrieg zum Glück beendet. Natürlich ist Syrien kein Rechtsstaat und keine Demokratie nach westlicher Vorstellung. Aber es ist ein Land, das dabei ist, sich zu stabilisieren. Der Bundeskanzler hat den Präsidenten jetzt nach Deutschland eingeladen. Deutschland wird auch helfen, Syrien wieder aufzubauen und zu stabilisieren.

Und natürlich gibt es mittlerweile auch Gegenden in Syrien, in denen man auch wieder gut leben kann." Man könne erwarten, dass Syrier auch in ihr Heimatland zurückkehrten, um es aufzubauen. Auch im Koalitionsvertrag sei festgelegt worden, dass vor allem Straftäter wieder nach Syrien zurückkehren sollten. Seit dem Bürgerkrieg seien eine Million Syrer in ihr Land zurückgekehrt, vor allem aus der Türkei. Jedoch kämen nur 2.000 von ihnen aus Deutschland. "Wir haben den syrischen Staatsangehörigen zu Recht Schutz und Obhut gegeben, solange der Bürgerkrieg dauerte", so Mayer. "Aber jetzt dürfen wir auch mit einer gewissen Berechtigung erwarten, dass sie wieder in ihr Heimatland zurückkehren."

Maischberger: "Gibt es zu viele Syrer in unserem Stadtbild?"

"Ich finde das sehr zynisch", gibt Haßelmann zurück. Wadephul sei in Syrien gewesen und habe einen Eindruck gewonnen, dass man zurzeit niemanden nach Syrien zurückschicken könne. Er habe dabei sehr empathisch reagiert, das sei gut so.

"Gibt es zu viele Syrer in unserem Stadtbild?", fragt dann Sandra Maischberger, die die Diskussion gerne in eine etwas andere Richtung lenken will. Da wird Mayer ziemlich sauer. "Ich bin jetzt nach zwanzig Jahren in der Politik ziemlich frappiert. Man hat doch derzeit ganz andere Probleme und Herausforderungen, als über diese zwei Sätze von Friedrich Merz zum Stadtbild zu diskutieren." Merz habe mit seiner Aussage recht. "Wenn man sich die Gegenden um die Hauptbahnhöfe anschaut, muss sich was verändern", fordert der CSU-Politiker. "Da geht es nicht um Diskriminierung. Es geht auch nicht nur um ausländische Mitbürger." Klar sei: Die Städte haben ein Problem. Zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln.

"Würden Sie einer jungen Frau empfehlen, alleine ab 22 Uhr in der Berliner S-Bahn zu fahren?", fragt Mayer. Im vergangenen Jahr hätten sich allein in Berlin mehr als 3.500 Messerattacken ereignet. Laut Kriminalstatistik sei die Zahl der ausländischen Täter überproportional hoch, so Mayer. "Und wir haben in Deutschland über 200.000 ausreisepflichtige Personen. Das müssen wir der Bevölkerung erklären, warum wir nicht in der Lage sind, diese ausreisepflichtigen Personen außer Landes zu bringen."

Özdemir: "Unerträgliche Zustände"

"Das sind unerträgliche Zustände. Damit haben wir uns zu beschäftigen. Wenn wir das nicht tun, ist das quasi ein Aufruf, die AfD zu wählen", sagte zwei Tage zuvor auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir bei Caren Miosga in der ARD.

Britta Haßelmann war früher Sozialarbeiterin. Sie stimmt Özdemir und Mayer zu. Sie kennt die Probleme und fordert mehr Geld für die Kommunen. "Sie können über die Polizeipräsenz reden. Sie können über Präventionsmaßnahmen reden. Sie können auch über Drogenkonsumräume oder Streetwork reden. Aber all das kostet die Kommunen richtig Geld." Zudem müsse organisierte Kriminalität bekämpft werden. "All diese Fragen müssen wir ganz konkret angehen, aber nicht über eine Stadtbild-Debatte, die im Kern doch suggeriert, dass es irgendwie etwas mit Migration zu tun hat."