Untersuchungsausschuss
Nord Stream 2: Schwesig soll "konsequenten Unwillen zur Aufklärung" gezeigt haben
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von dpaMinisterpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) war die 91. und letzte Zeugin im Untersuchungsausschuss zu Nord Stream 2. Ihre Vernehmung dauerte fast 14 Stunden.
Bild: Philip Dulian/dpa
Die Befragung von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig als letzte Zeugin im Nord-Stream-Untersuchungsausschuss hat fast 14 Stunden gedauert. Verschiedene Beobachter:innen ziehen ein unterschiedliches Fazit.
Das Wichtigste in Kürze
Die Befragung von Zeug:innen im Schweriner Untersuchungsausschusses zum Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 für russisches Erdgas ist abgeschlossen.
Insbesondere die Aussagen von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) werden unterschiedlich bewertet.
Transparency International spricht von "strategischer Korruption".
Die NGO Transparency International Deutschland hat nach dem Abschluss der Zeugenbefragungen ein positives Resümee des Schweriner Untersuchungsausschusses zum Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 für russisches Erdgas gezogen. "Es ist vieles viel klarer", sagte der Leiter der Regionalgruppe Mecklenburg-Vorpommern von Transparency, Gerhard Bley, der Deutschen Presse-Agentur nach dem Ende der Vernehmungen. Vieles an dem Sachverhalt sei aus den Dokumenten relativ eindeutig zu erkennen.
Für Bley hat der Untersuchungsausschuss vor allem gezeigt, dass Nord Stream 2 "kein normales wirtschaftliches Engagement" war. In der Landesregierung sei fast ausschließlich die Leitungsebene damit befasst gewesen, den Fertigbau zu organisieren. Die Arbeitsebene, die normalerweise Vorgänge abwickle, sei kaum einbezogen gewesen.
Transparency: Das kam alles nicht zur Sprache
Etwas Entscheidendes kam für den Beobachter von Transparency auch bei Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nicht zur Sprache, die am Freitag als 91. und letzte Zeugin fast 14 Stunden lang vernommen wurde. "Dass es jahrelangen Vorlauf gab von russischem Lobbying in Mecklenburg-Vorpommern in zahlreichen Formaten." So seien Kulturevents gefördert und Computer an Schulen verteilt worden. Auch Parteispenden habe es gegeben. "Das kann man nicht weglassen, wenn man das Vorgehen der Landesregierung beurteilen will", sagte Bley.
Russische Akteure hätten lange Jahre Einfluss genommen auf politische Akteure in Bund und Land. "Sie haben Narrative gesetzt und den Boden bereitet für Nord Stream 2." Bley erinnerte auch an intensive hochrangige wirtschaftspolitische Kontakte, obwohl Russland gar keinen vorderen Platz im Wirtschaftsaustausch mit Mecklenburg-Vorpommern eingenommen habe.
NGO sieht "strategische Korruption"
Bley sprach in dem Zusammenhang von "strategischer Korruption". Die Aufarbeitung des Nord Stream 2-Komplexes im Schweriner Untersuchungsausschuss sei ein wichtiger und historisch bedeutsamer Vorgang. Die Erkenntnisse seien hilfreich für den künftigen Umgang mit Versuchen ausländischer Einflussnahme und Desinformation, nicht nur aus Richtung Russland.
Der Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags war im Mai 2022 eingesetzt worden, um die Rolle der Landesregierung beim Bau von Nord Stream 2 zu untersuchen. Nach den Sanktionsdrohungen der USA in der ersten Amtszeit von Donald Trump gegen beteiligte Firmen geriet der Bau ins Stocken und das Land gründete Anfang 2021 die Klimaschutzstiftung MV. Unter ihrem Schutzmantel wurde der Pipeline-Bau zu Ende gebracht.
Der Ausschuss möchte herausfinden, ob die Landesregierung dabei von Russland beeinflusst wurde. Das verneinten Schwesig und auch ihr zuständiger Minister Christian Pegel (SPD) in ihren Zeugenaussagen. Mecklenburg-Vorpommern brachte in die Stiftung 200.000 Euro ein. Die Nord Stream 2 AG, eine Tochtergesellschaft des russischen Energiekonzerns Gazprom, steuerte 20 Millionen Euro bei.
NGO: Schwesig wollte Deutungshoheit behalten
Nun gehe es den Beteiligten darum, in welchem Licht ihr damaliges Handeln erscheine. Die Zeugen würden "nachvollziehbarer Weise" gerne ihre Sicht der Dinge darstellen. Auch Schwesig wolle die Deutungshoheit über die Sachverhalte behalten. Das sei in ihren Aussagen deutlich geworden.
Schwesig hatte das Vorgehen ihrer Landesregierung rund um Nord Stream 2 verteidigt. Die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern habe sich immer im Rahmen der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik bewegt, sagte sie. Das Bundesland sei keinen Sonderweg gegangen und auch nicht von Russland beeinflusst worden. Die Landesregierung habe kein Interesse an einer Investitionsruine vor der Küste gehabt, so die 51-jährige Politikerin, die seit ihrem Amtsantritt im Sommer 2017 immer wieder mit dem Pipeline-Bau befasst war.
CDU kritisiert Verzögerung bei Befragung
Schwesigs überlange Zeugenvernehmung sorgte bei der Opposition für Unmut. Der Obmann der CDU im Ausschuss, Sebastian Ehlers, warf ihr anschließend vor, sich der Befragung entzogen und diese verzögert zu haben. Es sei nicht möglich gewesen, einfachste Einschätzungen zu erhalten, ohne Schwesig Zeit für langwieriges Aktenstudium einzuräumen, kritisierte er. "Weite Teile ihrer Aussage waren unergiebig."
Ein Sprecher von Schwesig erklärte: "Die Ministerpräsidentin hat im Ausschuss klar dargelegt, dass die Landesregierung im Interesse des Landes und der Menschen gehandelt hat." Die CDU-Fraktion solle zur Sacharbeit zurückkehren.
Mehr Fragen als Antworten nach Schwesigs Befragung
Aus Sicht des Obmanns der Grünen, Hannes Damm, der im Ausschuss als besonders hartnäckiger Fragensteller auffiel, hinterlässt Schwesigs Auftritt mehr Fragen als Antworten. Die Ministerpräsidentin habe in der Befragung "einen konsequenten Unwillen zur Aufklärung" an den Tag gelegt, sagte er. "Auf zentrale Fragen gab es keine klaren Antworten – stattdessen endlose, auswendig gelernte Monologe, auffällige Erinnerungslücken und ein ständiges Wegducken hinter angeblich fehlenden Wahrnehmungen."
Das Fazit des AfD-Obmanns Michael Meister nach dem Abschluss der Zeugenbefragungen lautete: "Viel Nebel, wenig Aufklärung." Dennoch zeigte der Ausschuss aus seiner Sicht klar: "Die Gründung und Ausrichtung der Stiftung standen in einem engen Verhältnis zur Nord Stream 2 AG. Zahlreiche Aussagen von Pipeline-Vertretern widersprechen der offiziellen Legende, die Landesregierung habe unabhängig entschieden."
Abschlussbericht wird kommendes Jahr vorgelegt
Wegen Russlands Überfall auf die Ukraine ging Nord Stream 2 letztlich nicht in Betrieb. Im Herbst 2022 wurden die Leitung und auch Nord Stream 1, die parallel verläuft, durch Explosionen schwer beschädigt. Ein mutmaßlicher Haupttäter wurde in Italien festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Ein zweiter Tatverdächtiger, auch er Ukrainer, wurde in Polen festgenommen, aber wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses wird bis Sommer 2026 erwartet.
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