SPD-Chef im ARD-Talk
Klingbeil bei "Maischberger": Droht bei der Bürgergeldreform der nächste große Koalitionsstreit?
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von Marko SchlichtingSPD-Chef Lars Klingbeil zeigte sich am Mittwochabend bei "Maischberger" optimistisch, dass die Regierung trotz Gegenstimmen aus den eigenen Reihen, ihre geplanten Reformen im Bundestag verabschieden kann.
Bild: WDR / Oliver Ziebe
Der Streit in der schwarz-roten Koalition geht weiter: Wenn am Freitag im Bundestag über das Rentenpaket abgestimmt worden ist, steht mit der Bürgergeldreform der nächste Krach ins Haus. Und mittendrin: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil.
Das Wichtigste in Kürze
Beim Rentenpaket bangt die schwarz-rote Koalition weiter um eine eigene Mehrheit.
Mit der Bürgergeldreform steht der nächste Ärger schon ins Haus.
SPD-Chef Klingbeil geht bei Maischberger auf Distanz zu den Jusos, die gegen die Reform mobil machen.
Eigentlich kann man die Frage mit "Ja" beantworten, die Moderatorin Sandra Maischberger am Mittwochabend dem Bundesfinanzminister stellt. "Übersteht die Koalition den Rentenstreit?" will Maischberger von SPD-Chef Lars Klingbeil wissen. Mittlerweile ist bekannt: Die Linken werden der schwarz-roten Koalition helfen. Sie werden am Freitag im Bundestag nicht gegen das Rentenpaket der Bundesregierung stimmen, sondern sich enthalten. Doch am Ende muss Bundeskanzler Friedrich Merz eine eigene Mehrheit hinbekommen. Denn irgendwann wird er sich nicht mehr auf die Opposition verlassen können. Spätestens bei der Bürgergeldreform, die das Bundeskabinett wohl kommende Woche beschließen wird. Doch dieser Termin könnte noch verschoben werden müssen.
"Friedrich Merz war von Anfang an klar, dass wir dieses Rentenpaket durchbringen wollen, und jetzt geht es darum, dass bis Freitag eine eigene Mehrheit steht", fasst Lars Klingbeil die aktuelle Situation zusammen. "Ich bin wirklich dankbar, wie verantwortungsvoll die Partei die Linke sich im Parlament verhält." Ein möglicher Hintergrund für das überraschende Verhalten: Nächstes Jahr stehen Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ins Haus, und da gilt es, eine Koalition gegen die AfD zu bilden, die die Wahlen dort mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gewinnen wird.
Klingbeil: Können nicht davon ausgehen, dass "die Linken oder die Grünen uns da zur Seite springen"
Wichtig seien jetzt stabile Renten, die dabei helfen würden, gegen Altersarmut zu kämpfen, sagt Klingbeil am Mittwochabend. "Aber mein Anspruch ist schon, dass wir eine eigene Mehrheit haben, weil diese Koalition in den nächsten dreieinhalb Jahren sehr viele Entscheidungen zu treffen haben wird, und wir können nicht immer davon ausgehen, dass die Linken oder die Grünen uns da zur Seite springen."
Und wenn es keine eigene Mehrheit gibt? Das sagt Klingbeil nicht. Jedoch appelliert er an die jungen Abgeordneten in der CDU, Verantwortung zu übernehmen und die eigene Mehrheit der Koalition zu retten. Doch die CDU-Spitze tut gerade alles dafür, ihre jungen Rebellen weiter zu ärgern. Ein Entschließungsantrag, in dem die Forderungen der jungen Unions-Abgeordneten Platz finden sollten, soll nicht wie geplant ins Parlament eingebracht werden.
"Ich kenne die Gründe nicht, weshalb es von der Union das Signal gibt, wir machen den Entschließungsantrag doch nicht. Aber die Punkte, die darin sind, die werden von einer Kommission, wo sehr grundlegend unser Rentensystem überarbeitet werden muss, diskutiert. Mein Anspruch ist, dass wir nächstes Jahr fertig sind und dann sofort in die Gesetzgebung gehen", so SPD-Chef Klingbeil. "Es darf überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass wir in diesem Land grundlegende Strukturreformen brauchen." Deutschland müsse sich verändern, und die Bevölkerung stehe dahinter, so Klingbeil.
Lassen SPD-Rebellen die Bürgergeldreform scheitern?
Doch nicht nur die CDU hat ihre jungen Rebellen. Auch in der SPD versucht jetzt eine Gruppe von Politikern, die geplante Bürgergeldreform zu kippen. Die soll eigentlich nächste Woche von den Bundesministern beschlossen und dann in den Bundestag eingebracht werden. Zu den Gegnern gehört Nina Gaedicke, Chefin der Jungsozialisten in Nordrhein-Westfalen. Sie spricht auf dem Bundeskongress der Jusos von einem "Drecksentwurf", von der "Scheißunion" und "einem völlig enthemmten Fritze Merz". "Bullshit bleibt Bullshit", sagt sie.
"Das ist nicht meine Sprache", so Klingbeil bei Maischberger. Man müsse die Bürgergeldreform machen. "Ich bin überzeugt davon, dass wenn Menschen Geld von Staat bekommen, wir an diese Menschen die Erwartung haben können, dass sie sich anstrengen, dass sie für Arbeit zur Verfügung stehen, dass sie sich weiterqualifizieren. Wir brauchen einen Sozialstaat, der funktioniert, der den Menschen hilft, denen es gerade nicht gut geht. Aber wer arbeiten kann, der soll auch arbeiten, und darum bringen wir diese Bürgergeldreform auf den Weg."
Die Bürgergeldreform werde kommen, so Klingbeil. "Das Gesetz wird verabschiedet werden, weil ich und auch wir als Sozialdemokraten der Meinung sind, dass wir am Bürgergeld etwas machen müssen. Da ist eine Schieflage entstanden in den letzten Jahren." Viele Bürgerinnen und Bürger haben laut Klingbeil die SPD für die Einführung des Bürgergeldes kritisiert. Es gebe Menschen, die Arbeit verweigern oder schwarz arbeiten. "Das müssen wir verändern, weil viele, die für 2.500 oder 3.000 Euro arbeiten, es nicht als gerecht empfinden, und das sind die Menschen, um die ich mich kümmern will als Sozialdemokrat. Und deswegen sage ich: Allein unter Gerechtigkeitsaspekten müssen wir beim Bürgergeld zu Veränderungen kommen. Und deswegen wird diese Reform auch durchs Parlament gehen."
Das sieht SPD-Co-Chefin Bärbel Bas anders. Sie sei gegen Sanktionierungen von Bürgergeldempfängern, sagte sie auf dem gleichen Juso-Kongress, auf dem Gaedicke von einer "Drecksreform" sprach - und die schon mal mit dem Ende der Koalition drohte, falls die Rentenreform am Freitag nicht vom Bundestag beschlossen werden sollte.
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