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Bundeswehrspezialist André Wüstner warnt bei "Maybrit Illner": "Deutschland ist verwundbar"

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von Doris Neubauer

Oberst André Wüstner wirbt für eine zeitnahe Lösung bei der Wehrpflichtdebatte und Drohnenabwehr.

Bild: ZDF/Jule Roehr


Bis zur Reform des deutschen Wehrdiensts wird "noch ein bisschen Zeit vergehen", sagt Innenminister Dobrindt. Doch die Zeit habe man nicht, warnt ein Bundeswehroberst.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Thema Wehrdienst war auch Theme bei "Maybrit Illner".

  • Innenminister Dobrindt erwartet keine schnelle Reform.

  • Bundeswehroberst Wüstner allerdings drängt zur Eile.

"Die Zeit für langjährige Debatten haben wir nicht mehr!", warnte André Wüstner (Oberst und Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes) gleich zu Beginn der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" und wünschte sich - nach dem Eklat im Bundestag am Dienstag - eine "Versachlichung der Debatte" zur Wehrdienst-Reform.

Neben der Frage der Personalgewinnung und -bindung müsse man einen Mechanismus zum Umschalten auf eine Wehrpflicht finden, meinte Wüstner. Denn selbst bei einer positiven Entwicklung der Freiwilligenzahlen sei es kaum möglich, die angepeilten mindestens 260.000 aktiven Soldaten im Jahr 2032 zu erreichen. Hier sollte man über Optionen diskutieren: "Das Losverfahren wie in Dänemark stellt sicher, dass nicht der Geldbeutel der Eltern entscheidet, sondern man bei Bedarf junge Menschen ziehen könne", argumentierte er für eine der Maßnahmen, die auf dem Tisch liegen.

Bundeswehroberst fordert bei "Maybrit Illner" Tempo bei Wehrdienst-Reform

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigte sich zwar überzeugt, mit Anreizen viel zu erreichen. "Es ist aber klar, dass wir ein Modell entwickeln müssen dafür, was nach der Freiwilligkeit kommt", betonte er.

"Wir sollten jetzt erstmal die Rahmenbedingungen für den freiwilligen Dienst schaffen", wollte Irene Mihalic (Bündnis 90/ Die Grünen) davon nichts wissen - denn: "Da gibt es weiß Gott genug zu tun." Da schon jetzt aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht alle Freiwilligen von der Bundeswehr genommen würden, mache es keinen Sinn, "über ein Pflichtmodell zu diskutieren". Junge Menschen wollen sich engagieren. Die aktuelle Debatte verunsichere bloß: "Sie spielen mit den Perspektiven der Menschen", warf sie Dobrindt als Teil der Regierung vor.

"Das ist nicht fair", konterte der Bundesinnenminister mit Blick auf die hybride Bedrohungslage, so ein wichtiges Thema vor sich herzuschieben. "Das, was Sie machen, ist nicht fair", ließ Mihalic das nicht gelten. Man hätte beim Absetzen der Wehrpflicht zu viele Strukturen abgebaut: "Jetzt haben wir nicht Zeit zu warten, bis es wieder funktioniert." Stattdessen solle man die Attraktivität des Bundesheeres erhöhen.

Dobrindt: "Die Zeitenwende ist verstanden worden"

"Beides ist richtig", lenkte André Wüstner ein und appellierte an die Politiker, angesichts der Bedrohungslage aufs Tempo zu drücken: "Weil in der Phase x können wir Herrn Putin nicht sagen: Gib uns noch ein Jahr für die Debatte." Derzeit verschwimmen zwar innere wie äußere Bedrohungen, an Ressourcen fehle es aber überall: "Deutschland ist aktuell verwundbar", urteilte er und empfahl eine verstärkte Einbindung von Gesellschaft und Unternehmen, um für den Ernstfall gewappnet zu sein.

"Wir stehen nicht da und wissen nicht, was zu tun ist, sondern bereiten uns seit Jahren vor", wollte Alexander Dobrindt das so nicht stehen lassen. Er verwies auf die 100 Milliarden Sondervermögen und darauf, andere Maßnahmen im Wehrdienst und Zivilschutz auf den Weg gebracht zu haben, um wieder verteidigungsfähig zu werden. Denn: "Die Zeitenwende ist verstanden worden."

Dobrindt: Bundeswehr soll Polizei bei Drohnenabwehr Amtshilfe leisten können

Zu den Maßnahmen zähle außerdem die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrat, der hinter Cyberangriffen oder Drohnenattacken Muster erkennen solle. Neben einem Drohnenabwehrzentrum und einer Drohneneinheit der Bundespolizei soll es künftig die Möglichkeit der Amtshilfe durch die Bundeswehr bei militärischen Drohnenflügen geben, forderte Dobrindt. "Technisch ist vieles möglich", erklärte er, "am Schluss ist die Frage: Wie organisiert man den Abschuss?" Diese sei auch juristisch zu beantworten. Abschüsse hätten schließlich etwas mit Munition zu tun, "und das findet dann auch an unserem Himmel statt“. Darüber hinaus wäre es "fahrlässig, wenn die Politik jetzt den Eindruck erweckt, die Polizei könnte militärische Drohnen bekämpfen. Das ist Unsinn. Je nach Bedrohung wird es unterschiedliche Abwehrszenarien geben".

Der Fall der Amtshilfe werde nicht oft auftreten, glaubte Holger Stark (stellv. Chefredakteur und Ressortleiter Investigative Recherche und Daten von "Die Zeit") ein. Schließlich müsste die Bundeswehr verteidigungsrelevante Infrastruktur schützen. "Diese Art von Kapazitäten wird die Polizei aufbauen müssen", betonte er, denn "bei Drohnen hat man 10 bis 20 Minuten Zeit." Da könne man weder das Parlament fragen, noch lange Befehle durchtelefonieren - "das muss vor Ort gut funktionieren." Davon sei man aber noch lange entfernt und auch die Länder hätten weder die Expertise noch den Willen noch das Geld.

"Außer Bayern", korrigierte Maybrit Illner, denn dort habe man bereits die Installation eines eigenen Drohnenabwehrprogramms angekündigt. Ein Vorstoß, von dem Dobrindt hofft, dass er Schule macht.


Verwendete Quelle:

"Maybrit Illner" vom 16. Oktober 2025

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