Datenschutz
Big Brother Awards: Negativ-Preis für TikTok, Google und Innenminister Dobrindt
Veröffentlicht:
von Jana WejkumDer Verein "Digitalcourage" hat erneut die Big Brother Awards vergeben.
Bild: Matthias Hornung, CC-BY 4.0
Seit 25 Jahren vergibt der Verein "Digitalcourage" Preise an Firmen, Organisationen und Politiker:innen, die mit ihrem Handeln den Datenschutz gefährden. Wer in diesem Jahr die größten Sünder waren - und warum.
Datenschutz war in den letzten Wochen und Monaten ein großes Thema in Deutschland und der EU: Dürfen mit der Chatkontrolle im Namen des Kinderschutzes private Nachrichten grundlos gelesen werden? Kann die elektronische Patientenakte (ePA) gehackt werden - und wer darf meine Gesundheitsdaten einsehen? Nicht zuletzt wurde TikTok im Mai wegen Verstößen gegen den europäischen Datenschutz zu einer Strafe von mehr als einer halben Milliarde Euro verdonnert.
Nicht immer hat sich die Politik um den Datenschutz verdient gemacht. Das meint jedenfalls die Jury der Big Brother Awards, die seit 2000 vom Verein "Digitalcourage" verliehen werden. In der Jury vertreten waren zum Beispiel Frank Rosengart von der Hackervereinigung "Chaos Computer Club" und Dr. Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise.
Der Negativ-Preis geht an Firmen, Organisationen und Personen, die mit ihrem Tun die Privatsphäre beeinträchtigen. So verkaufen sie etwa persönliche Daten oder verwenden sie auf unangemessene Weise weiter.
Die Preisträger 2025 im Überblick
Kategorie Technik: Google
Kategorie Behörden und Verwaltung: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt
Kategorie Arbeitswelt: Verwaltungsgericht Hannover und das Bundesarbeitsgericht
Kategorie Social Media: TikTok
Kategorie "Was mich wirklich wütend macht": Bürokratieabbau
Kategorie "jung und überwacht": WhatsApp und iPads in Schulen
Dobrindts Sicherheitspaket: "Illegale Schnüffel-Praxis"
Weil er die hochumstrittene Software Palantir des Tech-Unternehmers Peter Thiel befürwortet, hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt in diesem Jahr schon mehrfach Kritik geerntet. Das Innenministerium plant, Polizeiermittlungen mit Gesichtserkennung zu vereinfachen.
Dabei könne Palantir auch dazu eingesetzt werden, die Wahrscheinlichkeit von Verbrechen auszurechnen und somit bestimmte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren. Die Jury begründet ihre Entscheidung damit, dass derartige Software eine "illegale Schnüffel-Praxis" sei. Sie verstoße gegen Art. 9 der Datenschutz-Grundverordnung, der sensible Daten schützten soll.
Zweifelhafter Datenschutz bei Tech-Giganten
Google fiel der Jury mit seinem KI-Assistenten Gemini negativ auf. Dieser werde unauffällig auf Android-Smartphones installiert und erhalte umfänglichen Zugriff auf persönliche Daten. Google verwende diese zum Training seiner KI. Den Dienst zu deaktivieren sei jedoch nicht einfach - und somit Grund für die negative Auszeichnung.
Der chinesischen Plattform TikTok wurde die Ehre deshalb zuteil, weil sie nach Ansicht der Jury maßgeblich zur Verbreitung von Fake-News und Hatespeech beitrage, Abhängigkeit fördere und mit ihrem Algorithmus "Menschen in Bezug auf ihre politischen Überzeugungen, ihre Wertvorstellungen" manipuliere. Bei jedem einzelnen Videoaufruf sammle TikTok bis zu 60 Datenpunkte, pro gepostetem Video seien es 600, so eine Studie aus dem Jahr 2024.
Bürokratieabbau: Versteckte Abschaffung von Verbraucherschutz?
Weiterhin prangern die Big Brother Awards den viel heraufbeschworenen Bürokratieabbau an. Mit der Deregulierung würden Gesetze abgeschafft, die Verbraucher:innen von Tech-Konzernen schützen. Diesen sei der Datenschutz in Europa ein Dorn im Auge. Für große US-Konzerne dürfe es keine Ausnahmen in der Gesetzgebung geben.
Dass große Konzerne es mit der Privatsphäre und Rechten von Arbeitnehmer:innen nicht immer so ernst nehmen, zeige das Beispiel Amazon. Der Konzern stand in Vergangenheit immer wieder durch zweifelhafte Praktiken der Mitarbeiterüberwachung in der Kritik. Den Negativ-Preis bekam jedoch nicht der Konzern selbst, sondern das Verwaltungsgericht Hannover und das Bundesarbeitsgericht. Sie hätten nach Ansicht der Jury die Überwachung von Angestellten in zwei deutschen Amazon-Logistikzentren nicht verhindert.
Ausgeschlossen: Digitalisierung in der Schule
Dass "Big Brother" in Form von Social Media längst auf den Smartphones von Kindern und Jugendlichen angekommen ist, dürfte die wenigsten überraschen. Die Jugendjury der Big Brother Awards zeigt ein anderes Problem auf: Was, wenn die Kinder kein WhatsApp haben? Oder ihre Eltern schlicht nicht genug Geld haben, um sich ein iPad für den digitalen Unterricht zu leisten? Auch das Lehrpersonal sei mit der Technologie oft nicht vertraut genug, um die Schüler:innen zu unterstützen. Die Folgen: mögliche soziale Ausgrenzung oder Nachteile im Unterricht.
Verwendete Quellen:
Big Brother Awards: "25 Jahre Big Brother Awards: Alte Überwachungsfantasien, neue KI-Systeme und junge Unterstützung"
Tagesschau: "530 Millionen Euro Strafe wegen Datenschutz-Verstößen"
Spiegel.de: "Forschung zu TikTok: Jedes Video hinterlässt fast 600 Datenspuren"
Tagesschau: "Kurz nach Einführung: Hacker knacken Schutz der E-Patientenakte"
Correctiv: "Nutzt die Polizei bald Gesichtserkennung? So reagieren Polizeivertreter, Datenschützer und Bürger darauf"
Legal Tribune Online: "Wo liegen die Grenzen der Arbeitnehmerüberwachung?"
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