Experten-Talk im ZDF

Runde bei Markus Lanz sieht Wirtschaft am "Knackpunkt": "Haben es uns alle zu bequem gemacht"

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von Natascha Wittmann

Journalistin Julia Löhr kritisierte bei Markus Lanz (vorne) die gescheiterte Stromsteuersenkung scharf.

Bild: ZDF / Markus Hertrich


Während bei "Markus Lanz" Ökonom Schularick das Rentensystem infrage stellt und Journalistin Löhr eine ungemütliche Reform fordert, warnt ein Gast vor überzogenen Erwartungen an den Staat.

"Wir verlieren gerade so ein bisschen die Zukunft und den Glauben an die Zukunft": Mit diesen Worten fasste Ökonom Moritz Schularick bei "Markus Lanz" die aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft zusammen. In der ZDF-Sendung wurde am Donnerstagabend (13. November) deutlich: Die Probleme reichen tief - und einfache Lösungen gibt es nicht.

Markus Lanz eröffnete die Runde mit einer klaren Frage: "Welche Wirtschaftspolitik braucht Deutschland jetzt?" Die Antworten seiner Gäste fielen differenziert, aber auch ernüchternd aus.

Löhr: Erwartungen an Regierung können nicht erfüllt werden

Journalistin Julia Löhr identifizierte eine Gesellschaft, die sich zu lange auf dem Erreichten ausruht: "Die alternde Gesellschaft klammert sich an den Status quo. (...) Wir haben es uns vielleicht alle zusammen zu bequem gemacht." Auch das Erwartungsmanagement der Regierung kritisierte sie scharf: "Es werden enorm hohe Erwartungen geweckt, die mehr oder weniger zwangsläufig nicht erfüllt werden können."

Markus Lanz erinnerte in dem Zusammenhang an ein Versprechen von Bundeskanzler Friedrich Merz, der zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt hatte, dass es "im Sommer (...) spürbar besser sein" werde - was so nicht eingetreten sei.

Ökonom Schularick fordert Renteneintrittsalter an Lebenserwartung zu koppeln

Ökonom Moritz Schularick forderte deshalb einen klaren Kurswechsel: "Wir müssen (...) zu einer Zuwanderungspolitik finden, die in unserem ökonomischen Interesse ist." Er betonte, dass es "Lösungen sein müssen, die den Staat nicht überfordern. Es müssen ganz einfache Dinge sein." Ein solcher Vorschlag: eine Reform des Renteneintrittsalters. "Man muss das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung anpassen. (...) Alle Anreize für Frühverrentung sind absurd und da müssen wir ran", kritisierte der Experte.

Julia Löhr stimmte zu - und ging noch weiter: "Wir brauchen (...) ein umfassendes Reformpaket, was allen gleichermaßen wehtut - was der Union etwas abverlangt, was der SPD etwas abverlangt. Was den Besserverdiener:innen etwas abverlangt, was aber auch den Bürgergeldempfänger:innen etwas abverlangt. (...) Jeder muss etwas reintun, weil nur so wird das funktionieren und wird politisch durchsetzbar sein."

Der Ökonom Moritz Schularick sitzt im ZDF-Studio und deutet mit dem Zeigefinger

Bild: ZDF / Markus Hertrich


Sargnagel für die Wirtschaftswende

Volkswirt Andreas Peichl kritisierte in dem Zusammenhang konkrete politische Entscheidungen der schwarz-roten Koalition, insbesondere die gescheiterte Stromsteuersenkung, die durch die Mütterrente ersetzt wurde. Julia Löhr nannte dies einen entscheidenden Fehler: "Die Stromsteuer, das ist für mich wirklich der Knackpunkt auch jetzt dieser schwarz-roten Koalition. (...) Das war letztlich der Sargnagel für die Wirtschaftswende von Friedrich Merz, die er angekündigt hat. Da hätte die Regierung ein Zeichen setzen können."


"Demokratiegefährdend": Autor warnt vor Panikmache

Während Ökonomen wie Schularick und Rüdiger Bachmann eher pessimistisch auf die kommenden Jahre blicken, widersprach Autor Harald Jähner bei "Markus Lanz" dem allgemeinen Krisen-Narrativ. Er warf der Gesellschaft vor, sich selbst in eine kollektive Nervosität hineinzusteigern: "Wir tun alles, um uns psychisch so zu überlasten und zu stressen, dass tatsächlich die Nervosität unerträglich wird und demokratiegefährdend."

Zugleich machte Jähner klar, dass der Staat nicht alles leisten könne: "Die Spielräume des Staates sind extrem begrenzt. Den Staat als so eine Art Dienstleistungsunternehmen zu betrachten, der jetzt (...) liefern muss, das finde ich fatal." Er forderte mehr Differenzierung: "Man muss schon unterscheiden zwischen (...) staatlichem Versagen auf der einen Seite und objektiven Schwierigkeiten."

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