"Lasst uns nicht naiv sein"

Psychologe Leon Windscheid warnt bei Lanz vor KI-Nutzung

Veröffentlicht:

von Natascha Wittmann

Psychologe Leon Windscheid zu Gast bei Markus Lanz

Bild: ZDF / Markus Hertrich


Immer mehr Menschen suchen Trost bei KI-Chatbots - auch in psychischen Krisen. Psychologe Leon Windscheid schlug deshalb bei "Markus Lanz" Alarm, ganz im Gegensatz zu Digitalexperte Sascha Lobo.

Das Wichtigste in Kürze

  • Psychologe Leon Windscheid warnt bei "Markus Lanz" vor der Nutzung von KI-Chatbots als emotionalen Ersatz, insbesondere in psychischen Krisen.

  • Mehrere Expert:innen sehen die Gefahr, dass KI echte zwischenmenschliche Beziehungen verdrängt und Nutzer bindet.

  • Digitalexperte Sascha Lobo widerspricht der Alarmstimmung und plädiert für einen differenzierten Umgang mit KI.

Künstliche Intelligenz ist längst Teil unseres Alltags. Doch was passiert, wenn sie echte Beziehungen ersetzt? Bei "Markus Lanz" drehte sich am Dienstagabend (16. Dezember) alles um die Frage: Wie verändert KI unser Miteinander - und was macht das mit unserer Psyche? Mehr als 700 Millionen Menschen weltweit nutzen laut OpenAI bereits ChatGPT. Tendenz: steigend. Doch mit der Verbreitung wächst auch die Sorge, dass echte Beziehungen unter der KI-Nutzung leiden könnten. Moderator Markus Lanz zeigte sich beunruhigt: "Das macht mir wirklich Angst." Er fragte: "Wie schnell geht es, sich darin wirklich so zu verlieren, dass man das Gefühl hat, da sitzt jetzt jemand, der versteht, wer ich bin?" Psychologe Leon Windscheid bestätigte die Problematik - mit einem realen Beispiel.

Er selbst habe in Österreich einen jungen Mann begleitet, der sich in einen Chatbot verliebt hat. Der Appell des Psychologen: "Bitte lasst uns nicht naiv sein mit so einer Technologie." Ethikerin Judith Simon warnte ebenfalls vor einer "großen Verführung", die hinter den Plattformen stecke. Viele Nutzer:innen würden durch Abos und Bindungsmechanismen regelrecht an die Systeme gekettet. Auch Informatikerin Katharina Zweig äußerte sich kritisch: "Wenn man damit erstmal anfängt, ist man, glaube ich, verloren. (...) Wir müssen wieder zu mehr Kontakt zwischen Menschen kommen."

Ethikerin warnt vor "dieser Art von Kommunikation"

Judith Simon sah in der emotionalen Kommunikation mit KI ebenfalls eine Gefahr: "'Ich bin immer für dich da. Ich höre dir zu' - also diese Art von Kommunikation ist für mich schon der Anfang vom Ende." Leon Windscheid machte sich in dem Zusammenhang vor allem um junge Männer Sorgen, die sich zunehmend lieber einem Chatbot anvertrauen als einem Therapeuten: "Wir ersetzen immer öfter Therapeuten mittlerweile durch KI." Das Problem dabei: "Es validiert, es bestätigt die ganze Zeit. (...) Ein guter Therapeut (...) würde aber auch hinterfragen." Sein klares Statement: "Wenn eine Gruppe auf dieser Welt doch nicht mehr validiert werden muss und immer hören muss, 'Boah, bist du toll', (...) sind das Männer."

Digitalexperte Sascha Lobo sah das Ganze entspannter und berichtete offen, wie selbstverständlich KI im Alltag seiner Familie sei. Auf Lanz' Frage, ob seine Frau sich morgens per Bot einkleiden lasse, antwortete Lobo deutlich: "Natürlich. Ja, das stimmt." Er fügte hinzu: "Wir haben in der Familie ganz viele Verwendungsszenarien dafür, einfach, weil wir große Freude daran haben, das auszutesten." Lobo plädierte daher für mehr Differenzierung, denn: "Es wird sehr viel Angst-Diskussion geführt." Gerade junge Menschen hätten laut des Experten längst eine andere Beziehung zur Technologie.

"Zu abwertend": Sascha Lobo kritisiert falschen Umgang mit KI

Deshalb sei es "zu abwertend" und "zu einfach", wenn man pauschal sage: "Das, was ihr da macht, endet in einer Katastrophe. Es ist ganz schlimm." Sascha Lobo warnte vielmehr vor einem anderen Risiko: dem internationalen Rückstand in der KI-Entwicklung. Laut des Experten sei es nämlich nicht ratsam, "wenn wir die ganze Zeit Angst haben, immer sagen, es ist alles schlimm - und am Ende amerikanische und chinesische Unternehmen genau diese Entwicklung alleine machen". Leon Windscheid nahm den Faden prompt auf und warf zum Schluss eine grundlegende Frage in den Raum: "Befeuern wir nicht ein System (...), was uns an ganz vielen Stellen jetzt schon nicht so guttut auf dieser Welt?"

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