Manipulierte Spendenaufrufe
Millionen mit Mitleid: Wie mutmaßliche Betrüger aus Gaza Spenden erschlichen
Veröffentlicht:
von Damian RauschDie Betrüger sammelten unter falschem Namen Geld für den Gazastreifen – Geld, das jedoch nie ankam.
Bild: Anadolu Agency
Mit gefälschten Videos und manipulierten Spendenaufrufen haben mutmaßliche Betrüger aus Gaza Millionen erschlichen. Die Spur führt zu einer Familie, die über mehrere Plattformen systematisch Vertrauen missbrauchte.
Das Wichtigste in Kürze
Die Betrüger nutzten gezielt das Leid echter Opfer wie Ahmed Al-Ghalban, um mit gefälschten Spendenaufrufen Vertrauen zu erschleichen.
Das Betrugsmuster erstreckte sich über verschiedene Kanäle – darunter Crowdfunding-Plattformen, Paypal und Krypto-Währungen.
Obwohl die Plattformen auf Nachfrage Maßnahmen ergriffen, zeigen die Fälle, dass ihre Prüfmechanismen bislang nicht ausreichen, um solche Machenschaften frühzeitig zu verhindern.
Ahmed Al-Ghalban, ein 17-jähriger Junge aus Gaza, sitzt im Rollstuhl und blickt ernst in die Kamera. "Friede sei mit euch", sagt er. "Danke für eure Spenden und dafür, dass ihr mir in den letzten Monaten zur Seite gestanden habt." Mit diesem Video erreichte er im Juli 2025 Hunderttausende auf Instagram. Nach einem Angriff der israelischen Armee verlor er beide Beine und mehrere Finger. Über Plattformen wie GoFundMe und Chuffed bat er um finanzielle Hilfe – mit Erfolg: Zehntausende Euro kamen zusammen.
Doch im September tauchten dieselben Bilder plötzlich auf einem gefälschten X-Profil namens "Ahmed Gaza" auf. Die Betrüger sammelten unter falschem Namen Geld – das jedoch nicht bei Ahmed ankam. Laut eines Berichts des "NDR" handelt es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um ein systematisch organisiertes Betrugsschema.
Ein Netzwerk aus Fake-Accounts
Die Spur führt zu rund 20 X-Profilen, die offenbar koordiniert dieselben Spendenaufrufe mit identischen Paypal-Konten verbreiteten. In mindestens zwei Fällen bestätigten betroffene Palästinenser dem "NDR", dass es sich um Fälschungen handelt. X reagierte auf eine Presseanfrage lediglich mit der Sperrung der verdächtigen Accounts.
Die mutmaßlichen Drahtzieher: eine Gruppe um Ahmad Khaled A., die offenbar aus Gaza selbst agiert. Recherchen ergaben, dass mehrere Profile aus seinem Umfeld stammen – darunter auch Familienmitglieder. Sie bewerben unterschiedliche Spendeninitiativen, nutzen aber dieselben Videos.
Ein Beispiel: Anfang September zeigt Ahmad Khaled A. in einem Video, wie er Wasser in Deir Al-Balah verteilt – mit gelber Warnweste und dem Logo von "Waves of Solidarity". Nur einen Tag später postet ein Mann namens Muhammad Khaled A. dieselbe Szene für eine andere Organisation: die "Muhammad Khaled Relief Foundation". Die beiden Männer filmten sich so, dass sie sich gegenseitig nicht im Bild hatten.
"Die Männer waren zur selben Zeit am selben Ort, aber filmten so, dass sie gegenseitig nicht zu sehen waren", heißt es im NDR-Bericht. Auf Anfragen reagierten beide nicht.
Krypto-Transfers und Millionenbeträge
Die Geldströme gehen teils direkt über Krypto-Währungen. Besonders auffällig ist die Initiative "Bitcoin for Palestine", gegründet von Yusef Mahmoud A., einem mutmaßlichen Onkel von Muhammad Khaled A. Die 2023 gestartete Organisation wurde zunächst als lebensrettend gefeiert. Doch inzwischen erheben Unterstützer schwere Vorwürfe.
Ein ägyptischer Bitcoin-Unternehmer schrieb auf X, er habe zwei Millionen Dollar investiert – das meiste davon sei zweckentfremdet worden. Yusef Mahmoud A. bestreitet das zunächst als "Diffamierung", räumt später aber ein: "Ich habe von zwei Millionen Spenden zehn Prozent für eigene Ausgaben und 'Bedürfnisse des Teams' einbehalten." Auch ein neues Auto und eine Waffe habe er gekauft – für die Sicherheit, wie er sagt.
Crowdfunding-Plattformen unter Druck
Die Recherchen zeigen eine gravierende Schwachstelle internationaler Spendenplattformen. GoFundMe gab an, seit Oktober 2023 rund 12.000 Spendenkampagnen mit Bezug zur Nahostkrise gestartet zu haben – mit einem Gesamtvolumen von etwa 32 Millionen Euro.
"Wenn unser Prüfprozess eine Spendenaktion, Geldfluss oder deren Begünstigte nicht eindeutig verifizieren kann, wird die Kampagne entfernt", so eine GoFundMe-Sprecherin. Die Spendenseite von Ahmad Khaled A. wurde inzwischen gelöscht. Auch Chuffed reagierte und entfernte mehrere verdächtige Aufrufe.
Verwendete Quellen:
Tagesschau: "Betrüger nutzen Hilfsbereitschaft für Gaza aus"
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