"Ernüchterung weltweit"

Christian Lindner bei Maischberger über sein politisches Aus: "So wie es jetzt ist, ist es auch gut"

Aktualisiert:

von Marko Schlichting

Christian Lindner zeigt sich bei Sandra Maischberger enttäuscht von der neuen Bundesregierung.

Bild: WDR/Oliver Ziebe


Für Christian Lindner ist Schluss mit Politik. Eine Rückkehr in ein politisches Amt komme für ihn nicht infrage. Das sagte der ehemalige FDP-Chef im Polit-Talk von Sandra Maischberger.

Christian Lindner ist unter die Gebrauchtwagenhändler gegangen. Das schrieben einige Medien. Ein wenig Häme war da zu erkennen. Tatsächlich verkauft der ehemalige FDP-Chef keine Autos. Er ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender eines Unternehmens aus Ostdeutschland. Ein sozialer Abstieg sei das für ihn nicht, sagt er am Mittwochabend (19. November) bei Sandra Maischberger im Ersten.

Seinen Kritiker:innen gibt er zu bedenken: "Wenn Autobranche, Mittelstand und Ostdeutschland das Problem sind, zeigt das, was in Deutschland in Wahrheit schiefläuft." Zudem ist er Unternehmensberater. "Ich bleibe ein politischer Mensch", sagt Lindner über sich: "Aber nach 25 Jahren habe ich keine Sehnsucht danach, wieder neu für Ämter zu kandidieren. Ich habe mich eingesetzt. Jetzt sind andere dran."

Lindner: "So wie es jetzt ist, ist es auch gut"

Bei Maischberger erinnert sich der ehemalige Politiker noch einmal an das Ende der Ampelregierung, in der er Finanzminister war. Das hatte vor allem die FDP herbeigeführt. Jahrelanger heftiger Streit war vorausgegangen. "Ich war leidenschaftlicher Politiker und habe mich für meine Überzeugungen auch in Auseinandersetzungen starkgemacht", sagt Christian Lindner heute über sich. Dabei sei es ihm um individuelle Freiheit gegangen, um Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und eine tolerante Gesellschaft.

Aber: "Nach 25 Jahren war meine politische Laufbahn beendet. Ich schaue darauf zurück mit großer Dankbarkeit. Aber für mich war klar: Wenn mein Mandat nicht verlängert wird, endet an der Stelle mein jahrzehntelanges politisches Engagement." Er hätte gerne weitergemacht, gibt Lindner zu. "Aber", sagt er: "So wie es jetzt ist, ist es auch gut."

Durch den aktuellen Bundestag fühlt sich Lindner nicht repräsentiert. Er sagt: "Ich wünsche mir, dass es eine starke liberale Kraft gibt, und in der Politik ist alles möglich." Lindner glaubt an eine Rückkehr seiner Partei in den Bundestag. Danach sieht es im Moment jedoch nicht aus. Die FDP stagniert in Umfragen bei drei Prozent. Doch auch den Journalisten, die an diesem Abend bei Sandra Maischberger zu Gast sind, fehlt eine liberale Kraft im Bundestag.

Von der neuen Bundesregierung ist der ehemalige FDP-Politiker enttäuscht. Man habe auf hohe Investitionen und strukturelle Veränderungen gehofft. "Jetzt macht sich eine Ernüchterung weltweit breit, vor allem bei denen, mit denen ich in Deutschland spreche, dass die hohe Verschuldung genutzt wird, um in Wahrheit strukturelle Reformen noch ein paar Jahre zu vertagen, und dann werden sie noch schmerzhafter und tiefgreifender sein als wir sie jetzt gestalten können."


Ex-FDP-Chef: "Ich frage mich, warum Friedrich Merz nicht starke Führung zeigt"

Viel Freizeit hat Lindner nicht. Neben seinen zwei Jobs ist er auch noch Vater. Das sollte ihn ausfüllen. Darum hat er sich auch noch keine Meinung über die Zukunft der Bundesregierung gebildet. Dennoch bleibt er ein politischer Mensch, der seine Meinung sagt. Zum Beispiel zur Rentenreform. Auch da kritisiert er die Bundesregierung. Er sieht eine mangelnde Balance zwischen Jung und Alt.

Lindner: "Die Jüngeren haben diese Schulden zu schultern, sie haben jetzt eine Rentenpolitik, die zu ihren Lasten geht, denn die werden höhere Beiträge zahlen. Und man muss hinzufügen nach meiner Erwartung, dass wir in den nächsten Jahren auch wieder einen Wehrdienst sehen werden, wo sich ein Teil einer Generation ein ganzes Jahr in den Dienst des Staates für unsere Sicherheit stellen muss. Wenn man das zusammennimmt, ist das unter den Gesichtspunkten der Generationengerechtigkeit nicht ausbalanciert. Ich frage mich, warum Friedrich Merz nicht starke Führung zeigt und sagt: Diese Rentenpolitik können wir der jungen Generation nicht auch noch zumuten, wenn sie schon für unsere äußere Sicherheit einen Wehrdienst in Kauf nimmt."

Lindner hofft, dass sich die Regierung auf eine Stärkung der privaten Altersvorsorge verständigt. Man müsse der Generation unter vierzig Jahren erleichtern, eine private Säule aufzubauen. Lindner ist im Privatleben angekommen. Man merkt: Er fühlt sich wohl. In der Sendung wirkt er gelassen, die Aggressivität von einst hat er abgelegt. Man könnte fast sagen: Da ist ein ganz neuer Christian Lindner.

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